Fahrzeug des Monats August 2016 - Ziegler MERKUR

Feuerwehrfahrzeug des Monats

August 2016

Tunnelrettungsfahrzeug (TRV)  Ziegler-MERKUR
Einsatzfahrzeug des kroatischen Autobahnbetreibers Bina Istra  
(„125 Jahre Ziegler Feuerwehrgerätefabrik und Schlauchweberei“)

Technische Daten

Fahrgestell Iveco (2 baugleiche Eurocargo-Kabinen)
Motor 2 Elektromotoren (wassergekühlt)
Leistung 2 x 95 kW (insges. 260 PS)
Stromversorgung 2 Batteriepacks
- Kapazität: je 180 Ah (Amperestunden)
- pro Pack: 90 LiFePo-Zellen
(Lithium-Eisenphosphat-Zellen)
Reichweite (Betriebsdauer) rd. 200 km (4 Std.)
Antriebsart Allrad (4x4)
Getriebe kein herkömmliches vorhanden
3 Fahrstufen: „vorwärts“, „rückwärts“, „neutral“
Höchstgeschwindigkeit ca. 60 km/h
Abmessungen 6,60 m (L), 2,31 m (B), 3,10 m (H)
Wendekreis 14 m
Gesamtgewicht 12,3 t
Ausbau/Ausrüstung
(Konstruktion)
Ziegler GmbH, Giengen (BW)
- Ausführung: Aluminium-Paneel-System „ALPAS“
- Fahrersitze mit integrierten Pressluftatmer-Halterungen
- Eingänge: 2 pneumatische Türen, 2 Not-Türen
- Passagiersitzplätze: 8
- Passagierstehplätze: 4
- Innenbeleuchtung: LED-Ausführung
Ziegler-Hochdruck-Luftspeicheranlage
- Druckluftflaschen: 14 x 50 l (mit 300 bar gefüllt)
- Luftvolumen (Behältervolumen x Druck): 210.000 l
- Rettungshauben: 16 (mit Luftzufuhr)
Selbstschutz
- Wassertank: 2 x 200 l
- Selbstschutzdüsen: 10
Sicherheit
- Wärmebildkameras
- Rückfahrkameras
Besatzung 2
Baujahr/Indienststellung 2012
Anschaffungskosten rd. 800.000 Euro

Wissenswertes:
Ein Tunnelbrand ist der Alptraum jedes Autofahrers: Die Thermik in der Röhre sorgt dafür, dass sich Rauch und Hitze wie in einem Kamin rasend schnell ausbreiten. Für ein solches Szenario hat Feuerwehrausrüster Ziegler das Tunnelrettungsfahrzeug (TRV) „MERKUR“ entwickelt. Urlauber, die den  fünf Kilometer langen Ucka-Tunnel in Kroatien benutzen, werden sich vermutlich verdutzt die Augen reiben. Dort sorgt das weltweit erste Zweirichtungs-Tunnel-Rettungsfahrzeug mit Elektroantrieb für mehr Sicherheit. Es wurde im Jahr 2012 vom kroatischen Autobahnbetreiber Bina Istra in Dienst gestellt, nachdem der Ucka-Tunnel in einem Test durch fehlende Rettungswege und Lüftungseinrichtungen aufgefallen war. Eine besonders schwere Brandkatastrophe hatte sich im März 1999 im Mont-Blanc-Tunnel (Frankreich/Italien) ereignet. Damals starben 39 Menschen.

Ungewöhnliche Optik und ausgeklügeltes Konzept

Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt: Der Sauerstoffmangel macht die Menschenrettung in einem brennenden Straßentunnel besonders schwierig. Hinzu kommt, dass die Einsatzkräfte in der engen Röhre mit einem herkömmlichen Rettungsfahrzeug nicht wenden können. Die Ziegler-Ingenieure geben mit dem „MERKUR“ eine Antwort auf diese beiden vordringlichen Probleme.
Das leuchtend gelbe Rettungsmobil verfügt, ähnlich wie ein Eisenbahntriebwagen, über zwei identische Fahrerkabinen an jedem Ende. Der Rettungsraum dazwischen ist für zwölf evakuierte Personen ausgelegt. Es gibt acht Sitz- und vier Stehplätze, die allesamt mit „Sauerstoffmasken“ (Rettungshauben) ausgestattet sind. Hinter der ungewöhnlichen Optik steckt ein ausgeklügeltes Konzept. Der „MERKUR“ kann nämlich ohne Wendemanöver in zwei Richtungen fahren. Für die Rückfahrt aktiviert die Besatzung einfach das zweite Fahrerhaus und schon lässt sich der Ziegler-Tunnelretter von dort steuern, wo vorher noch das Heck war. Bedientableau und Achssteuerung der anderen Kabine werden dadurch automatisch deaktiviert. Ebenso ändert sich die Verkehrsbeleuchtung selbsttätig entsprechend der Fahrtrichtung. Die drei Bereiche sind mit Schiebetüren getrennt. Somit ist ein schneller und leichter Übergang von einer Kabine zur anderen möglich, ohne dass die Retter aus dem „MERKUR“ aussteigen müssen.

Er läuft auch ohne Sauerstoff.

Ein Verbrennungsmotor benötigt Sauerstoff, der bei einem Tunnelbrand oftmals nicht mehr ausreichend vorhanden ist. Der „MERKUR“ verfügt deshalb über zwei wassergekühlte Elektromotoren, die für eine Leistung von insgesamt 260 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern sorgen. Durch das duale Konzept, also einem separaten Motor für jede Achse, bleibt der Wagen selbst dann einsatzbereit, wenn einer der beiden Antriebe ausfällt. Sind die Akkus voll, könnte der „MERKUR“ vier Stunden lang mit Höchstgeschwindigkeit bewegt werden. Er lässt sich im Übrigen denkbar einfach bedienen. So gibt es kein herkömmliches Getriebe. Der Fahrer wählt am Schalthebel nur die Stellung „vorwärts“, „rückwärts“ oder „neutral“.

Druckluft gegen den Rauch

Der Zweirichtungs-Tunnelretter hat eine Hochdruck-Luftspeicheranlage an Bord. Sie besteht aus 14 Flaschen a 50 Litern, die mit 300 Bar abgefüllt sind. Somit ergibt sich ein Atemluftvorrat von 210.000 Litern, der an die Rettungshauben und das Kabinenüberdruckventil abgegeben wird. Der leichte Überdruck in der Kabine soll das Eindringen von Rauch verhindern, ebenso wie die Anti-Rauch-PVC-Vorhänge an den Eingängen. Zwei Sensoren überwachen das Sauerstoff-Niveau im Innenraum und außerhalb. Die Daten werden von einer Computeranlage erfasst und ausgewertet. Ziegler garantiert einen autarken Betrieb der Hochdruck-Luftspeicheranlage für fünf Stunden mit zwölf evakuierten Personen an Bord.

Sprühnebel gegen die Hitze

Um den „MERKUR“ auch im dichten Rauch sicher lenken zu können, kann sich der Fahrer mit Wärmebildkameras orientieren. In den Fahrerkabinen werden die Wärmebilder auf LCD-Farbmonitoren wiedergegeben. Sie zeigen entsprechend der Fahrtrichtung die Sicht nach vorne und hinten. Der Unterboden des Ziegler-TRV ist mit einem kompletten Hitzeschutz-Schild ausgerüstet. Es gibt eine Selbstschutzanlage mit zehn Düsen, sechs auf dem Dach und vier an der Unterseite. Außerdem ist der Tunnelretter mit Notlauf-Run-Flat-Reifen ausgerüstet.

Aufgrund der vielen High-Tech-Lösungen könne der „MERKUR“ unter den denkbar schlechtesten Bedingungen zum Einsatz kommen, sagt Ziegler.  

-Vo-

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Ziegler entwickelte mit dem „MERKUR“ das erste Tunnel-Rettungsfahrzeug (TRV)
mit zwei Fahrerhäusern und Elektroantrieb. (Foto: Ziegler GmbH, Giengen)

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Anti-Rauchvorhang (Foto: Ziegler GmbH, Giengen)

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Rettungsraum (Foto: Ziegler GmbH, Giengen)

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Rettungshauben (Foto: Ziegler GmbH, Giengen)

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LCD-Bildschirm zeigt Wärmebilder (Foto: Ziegler GmbH, Giengen)

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Bedientableau zur Fahrerhausaktivierung (Foto: Ziegler GmbH, Giengen)  

Stichwort: Ucka-Tunnel
Die A 8 von Rijeka nach Rovinj führt durch den mautpflichtigen Ucka-Tunnel. Er wird in der Hauptsaison von bis zu 6.700 Fahrzeugen täglich auf dem Weg nach Istrien genutzt. In einem Straßentunneltest, den der ADAC im Jahr 2004 durchführte,  schnitt die Röhre mit der Note „mangelhaft“ ab. Neben dem schlechten Fahrbahnbelag, der zwischenzeitlich erneuert wurde, kritisierten die Tester damals vor allem die unzureichende Ausstattung mit Rettungswegen. Der Ucka-Tunnel führt durch das Ucka-Gebirge. Er wurde 1981 eingeweiht, ist 5,06 Kilometer lang  und wird von der  privaten Betreiber-Gesellschaft Bina Istra verwaltet.

-Vo-

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