Schwerverletzte von der Tanzfläche gerettet

Rettungsdienst und Feuerwehr üben im Kulturwerk Herford den Ernstfall

20240830 224824Herford.  Am späten Freitagabend (30.08.2024) feiert das Publikum im Kulturwerk (ehemals „X“) an der Bünder Straße ausgelassen. Plötzlich „löst sich eine Schweinwerferbrücke von der Decke und stürzt mitten auf die Tanzfläche“. Mehrere jugendliche Besucher werden zum Teil „lebensgefährlich verletzt“. Dieses dramatische Unglück hat sich in der Diskothek abgespielt -  glücklicherweise nur fiktiv. Die Leitstelle löst unter dem Stichwort „Massenanfall  von Verletzten“ Großalarm aus. Rettungskräfte aus dem Kreis Herford und dem benachbarten Mühlenkreis, darunter viele Ehrenamtliche des DRK und einige Auszubildende des Regelrettungsdienstes, eilen daraufhin zur Hilfe.


Melissa Gritzan, Kreisrotkreuzleiterin beim DRK-Kreisverband Herford-Stadt, übernimmt die Übungsleitung. Gemeinsam mit Lutz Kölling, dem Leiter der Hauptamtlichen Wache Herford, und Wehrführer Karsten Buschmann hat sie das Übungsszenario ausgearbeitet. „Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem einsatztaktischen Ablauf und der Zusammenarbeit aller beteiligten Organisationen“, sagt die junge Frau.

Das Jugendrotkreuz Lippe übernimmt die Statistenrollen. John, Robin, Nele, Johanna und Nadja sind in der Notfalldarstellung geschult. Aus Bühnen-Make-Up und Kunstblut entstehen erschreckend realistische Verletzungen, wie Knochenbrücke und Platzwunden. Weitere Darsteller kommen aus dem Verwandten- und Freundeskreis der Rotkreuzler. Sie sollen eine Gruppe von Gästen simulieren, die bei dem „Unglück“ augenscheinlich unverletzt geblieben ist. Melissa Gritzan schwört die Laienschauspieler ein: „Ihr müsst aufgebraust sein und den Rettungskräften richtig auf die Nerven gehen!“ Gegen 22 Uhr nehmen die Statisten ihre Positionen ein. Paletten, die auf der Tanzfläche liegen, symbolisieren die Trümmerteile der Scheinwerferbrücke. Die Beleuchtung ist ausgefallen und ein dröhnender Lautsprecher übertönt die Hilferufe.

Die Besatzung des „ersteintreffenden Rettungsmittels“ steht vor einer schweren Aufgabe.
Während Amien Noureldin einen schwerverletzten jungen Mann versorgt …


… übernimmt Sören Hagen Hillmann (blaue Weste) gemeinsam mit Notarzt Christian Kunze die medizinische Erstsichtung.

Um 22.10 Uhr findet eine „Besucherin“, die gerade erst gekommen ist, am Haupteingang des Kulturwerks einen „Schwerverletzten“. Sie wählt mit ihrem Handy sofort den Notruf. Das wahre Ausmaß der „Katastrophe“ kennt sie zu diesem Zeitpunkt nicht – so sieht es das „Drehbuch“ vor. Schnell ist ein Rettungswagen vom Einsatzdienst des DRK-Kreisverbandes Herford-Stadt vor Ort. Sören Hagen Hillmann und Amien Noureldin bilden die Besatzung des „ersteintreffenden Rettungsmittels“. Sie übernehmen die Erstversorgung des jungen Mannes, der sich eine „offene Unterschenkelfraktur“ zugezogen hat und vor Schmerzen schreit. Als Hillmann Hilferufe aus dem Innenraum hört, erkundet er mit einer Taschenlampe die Lage. „Mir war sofort klar, wir brauchen Verstärkung.“ Die Kreisleitstelle alarmiert unter dem Stichwort „Massenanfall von Verletzten 10 (MANV 10)“ weitere Einheiten des Rettungsdienstes, sodass die Versorgung von bis zu zehn Verletzten sichergestellt werden kann. Die Hauptamtliche Wache Herford, der Löschzug Herford-Mitte und die Löschgruppe Herford-Schwarzenmoor rücken ebenfalls aus.  Christian Kunze, Notarzt aus Bünde, und Notfallsanitäter Sören Hagen Hillmann übernehmen kurz darauf die medizinische Erstsichtung der Unglücksopfer. Da im Inneren des Kulturwerks weiterhin Einsturzgefahr besteht, bringen Feuerwehrleute die Verletzten mit Kranken- und Schleifkorbtragen in Sicherheit. Der Parkplatz vor der Veranstaltungshalle verwandelt sich kurzerhand in eine Patientenablage. Überörtliche Kräfte rücken zur Verstärkung an, darunter Rettungswagenbesatzungen aus Lübbecke und Rahden sowie das DRK aus Hüllhorst. Der Gerätewagen Sanität 25 (GW-San 25) des Katastrophenschutzes NRW bringt derweil weiteres Material für die medizinische Versorgung der Verletzten zur Einsatzstelle.

20240830 224541Der Parkplatz vor dem Kulturwerk wird zur Patientenablage. 

Yago Flunkert leitet zwischenzeitlich als Leitender Notarzt den Einsatz des Rettungsdienstes. Notarzt Jens Tiesmeier und Armin Schäffer, der Organisatorische Leiter Rettungsdienst, stehen ihm zur Seite. „Vier Patienten befinden sich in Lebensgefahr (Kategorie „rot“), vier weitere haben sich  schwere Verletzungen zugezogen (Kategorie „gelb“), sagt Flunkert, nachdem er die Sichtung an der Patientenablage abgeschlossen hat. Das ABCDE-Schema hilft den Rettern bei der Erstversorgung der  „Unglücksopfer“. Zunächst überprüfen die Teams die Atemwege  (A wie Airway) und die Atmung (B wie Breathing). Eine schwere arterielle Blutung am Arm hat bei einer Patientin zu einem kritischen C-Problem geführt  (C wie Circulation). Mit einem Druckverband und einer Infusion versuchen die Rettungskräfte die Situation in den Griff zu bekommen. Bei einem anderen Patienten diagnostiziert der Notarzt ein Thoraxtrauma. Die Retter simulieren eine Entlastungspunktion, um den  Druck im Brustkorb zu senken.  Weitere Betroffene, die unverletzt geblieben sind, werden von Feuerwehrleuten auf der Terrasse eines nahen Restaurants betreut. Zahlreiche Übungsbeobachter, darunter Simon Bertram, Abteilungsleiter Rettungsdienst beim Kreis Herford, behalten das gesamte Geschehen im Blick.

Am Ende werden drei Verletzte zum Klinikum Herford transportiert und zwei weitere zum Mathilden Hospital gebracht. Erst mit der Übergabe der Patienten im Schockraum endet für den Rettungsdienst der Übungseinsatz - mittlerweile ist es 0.30 Uhr.  In Kürze findet ein Treffen aller beteiligten Führungskräfte statt. „Dann wird der gesamte Ablauf genau analysiert, um zu schauen, wo es Verbesserungsbedarf gibt“, sagt Übungsleiterin Melissa Gritzan.

                                                                                                                        Von Jens Vogelsang

                                                                                                                        (Text u. Fotos)

 

20240830 212356Robin Lorenzen vom Jugendrotkreuz Lippe modelliert aus Theaterschminke eine Verletzung.


20240830 212712(v.l.) Nele, Johanna und Nadja gehören zum Team für Notfalldarstellung.


20240830 213623(v.l.) Lea und Vanessa schminken sich gegenseitig für ihre Rollen als Statistinnen.


20240830 220638Die „Verletzten“ haben ihre Positionen eingenommen.


20240830 220527(v.l.) Übungsleiterin Melissa Gritzan und Simon Bertram (Kreisverwaltung Herford).


20240830 221950Steffen Grautoff (r), Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, ist ebenfalls vor Ort. 


20240830 221355Der erste Rettungswagen trifft ein.


20240830 223120Die Hauptamtliche Wache Herford ist zur Unterstützung angerückt.  


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20240830 224247Gerätewagen Sanität 25 des Katastrophenschutzes NRW.


20240830 224824Ein Rettungsdienstteam versucht eine stark blutende Wunde mit einem Druckverband zu stoppen.

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(v.l.) Notarzt Jens Tiesmeier und Leitender Notarzt Yago Flunkert.

 

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20240830 231441Lutz Kölling (r), Leiter der Hauptamtlichen Wache, hält mit den Übungsbeobachtern der Kreisverwaltung Rücksprache.


20240830 231713Karsten Buschmann, Leiter der Feuerwehr Herford (gelbe Weste), zieht eine erste Zwischenbilanz.


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Gruppenfoto der beteiligten Einsatzkräfte des Rettungsdienstes.