ABC-Alarm: Dimethylhydrazin und Natriumhydroxidlösung laufen aus!

Gemeinsame Übung von Löschzug Enger-Mitte und Spezialkräften aus Herford und Bünde

2023 10 18 02Enger. Unglücksfälle mit Gefährlichen Stoffen und Gütern (GSG) stellen die Einsatzkräfte der Feuerwehr nicht selten vor große Herausforderungen. Spezialkräfte, die besonders geschult und ausgerüstet sind, unterstützen die Feuerwehrleute vor Ort. Eine Gruppe des Löschzugs Enger-Mitte hat ein solches Szenario erst kürzlich gemeinsam mit Kräften des ABC-Zugs Herford und der GSG-Einheit Bünde geübt.

Tag für Tag wird in der Industrie mit gefährlichen Stoffen hantiert. Chemietransporte auf Straßen, Schienen und Wasserwegen bergen ein zusätzliches Risiko. Unfälle, bei denen gefährliche Substanzen austreten, sind quasi vorprogrammiert. Das Übungsszenario in Enger ist entsprechend anspruchsvoll: Ein Transporter-Fahrer hat auf dem Gelände der Kläranlage eine Reihe von IBC-Fässern gerammt. „Die Verbindungsleitung, durch die eine ätzende Substanz fließt, ist abgerissen“, schildert Pascal Pörtner (Feuerwehr Herford), der die Übung gemeinsam mit Sascha Rüger (Feuerwehr Herford) vorbereitet hat. „Jetzt läuft die unbekannte Flüssigkeit aus!“ Einige der IBC-Tanks sind leckgeschlagen. Auf der Ladefläche des Transporters befinden sich zudem mehrere blaue Kanister mit Gefahrensymbolen, die umgestürzt sind.

2023 10 18 21Ein Transporter ist auf dem Gelände der Kläranlage Enger in einen Stapel aus IBC-Fässern gekracht. Daraufhin läuft eine ätzende Flüssigkeit aus. Spezialkräfte des ABC-Zugs Herford und der GSG-Einheit Bünde übernehmen die Bergung.

Maßnahmen nach GAMS-Regel durchgeführt

Der Löschzug Enger-Mitte wird um 19.15 Uhr alarmiert. Noch ist die Lage unklar. „In der ersten Meldung war lediglich von einer unbekannten Flüssigkeit die Rede“, sagt Einsatzleiter Björn Sewing. Nur wenige Minuten später treffen Hilfeleistungslöschfahrzeug und Löschgruppenfahrzeug an der Dornbreede ein. Der „Hausmeister“ liefert erste konkrete Informationen. Schnell zeigt sich, es handelt sich um einen Unfall mit Gefährlichen Stoffen und Gütern. Drei Personen befinden sich noch im Gefahrbereich. Der Klärwerksmitarbeiter und zwei Passanten, die erste Hilfe geleistet haben, sind verletzt. Die Verätzungen an den Händen und Beinen wurden vom Team für realistische Unfalldarstellung des DRK aus Theaterschminke nachgestellt. Sie wirken täuschend echt und unterstreichen den Ernst der Lage.
Die Mannschaft vom Löschzug Enger-Mitte leitet die ersten Maßnahmen ein. „Dabei muss die GAMS-Regel beachtet werden“, erklärt Björn Sewing. Die Abkürzung steht für G-efahr erkennen, A-bsichern der Einsatzstelle, M-enschenrettung durchführen und S-pezialkräfte alarmieren. Eine weitere Erkundung ergibt: Aus der abgerissenen Rohrleitung läuft Natriumhydroxidlösung. Die Gefahrnummer 80 signalisiert den Feuerwehrleuten, dass es sich um einen ätzenden Stoff handelt. Doch damit nicht genug: In den IBC-Fässern, die zum Teil leckgeschlagen sind, lagert Dimethylhydrazin, dass leicht entzündlich ist und ebenfalls Haut und Schleimhäute verätzen kann. Unter größtmöglichem Eigenschutz übernehmen die Feuerwehrleute die Rettung der drei verletzten Personen, dargestellt von Statisten und einer Dummy-Puppe. An der Notdekon-Stelle wird schnellstmöglich ihre Grobreinigung vorgenommen. Rettungssanitäter des DRK übernehmen anschließend die medizinische Versorgung.

Persönliche Sonderausrüstung bietet bestmöglichen Schutz

Die angeforderten Spezialkräfte leisten mittlerweile Unterstützung. Der ABC-Zug Herford und Kräfte der GSG-Einheit Bünde sind unter anderem mit dem Gerätewagen-Gefahrgut, Wechselladerfahrzeug für die Verletzten-Dekontamination (AB V-Dekon), dem Gerätewagen Dekon-Personal (Dekon-P) und zwei Messfahrzeugen angerückt. Im Gefahrbereich haben jetzt nur noch Einsatzkräfte unter persönlicher Sonderausrüstung Zutritt. Ein Trupp trägt Kontaminationsschutzanzüge „Form 2“, die gegen eine „Verseuchung“ mit festen und flüssigen Schadstoffen schützen. Er bekommt die Aufgabe einen Abflussschacht zu erkunden und abzusichern. Ein weiterer Trupp hat sich mit Chemikalienschutzanzügen ausgerüstet. Die sogenannten CSA-Anzüge („Körperschutz Form 3“) kommen immer dann zum Einsatz, wenn Gefahren durch feste, flüssige oder gasförmige ABC-Gefahrstoffe einen umfassenden Schutz erforderlich machen. Die beiden Feuerwehrleute rücken vor, um die ätzenden Flüssigkeiten in speziellen Gefäßen aufzufangen und Abdichtmaßnahmen durchzuführen. Für den Notfall steht ein Sicherheitstrupp bereit, der ebenfalls CSA-Anzüge trägt. Zudem sind Messtrupps in Gebläsefilteranzügen unterwegs, um die Schadstoffkonzentration in der Luft zu messen. An der Grenze zum Absperrbereich haben die Feuerwehrleute in der Zwischenzeit den Abrollcontainer zur (Verletzten-)Dekontamination aufgebaut. Es gilt das Schwarz-Weiß-Prinzip. Im Dekontaminationsbereich („Schwarzbereich“) erfolgt die Grobreinigung der ABC-Schutzkleidung, die danach abgelegt wird. Anschließend erfolgt der Übergang in den Hygiene- und Regenerationsbereich („Weißbereich“). Für das Personal im Container gelten ebenfalls besondere Schutzmaßnahmen. Die Feuerwehrleute arbeiten deshalb auch in Gebläsefilteranzügen.

Am Ende zeigt sich die Übungsleitung zufrieden: „Die Zusammenarbeit der verschiedenen Einheiten hat gut funktioniert“, meint Sascha Rüger. Im Übrigen seien alle Übungsziele, wie die Menschenrettung sowie das Auffangen, Abdichten und Umpumpen bei einer ABC-Lage, erreicht worden. (Redaktion: kfv-herford.de, Fotos: Benjamin Breß, Feuerwehr Enger)

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Bildunterschriften:

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2023 10 18 02Die Einsatzkräfte müssen eine ABC-Lage bewältigen.

2023 10 18 04Einsatzleiter Björn Sewing fordert Verstärkung an.

2023 10 18 09Die Menschenrettung wird vorbereitet. Dabei ist der Eigenschutz besonders wichtig.

2023 10 18 10Der Angriffstrupp erhält wichtige Informationen.

2023 10 18 05Dann beginnt die Rettung des verletzten Klärwerksmitarbeiters.

2023 10 18 03Eine Ersthelferin hat sich Verätzungen am Arm zugezogen. Sie wird von Sanitätern des DRK versorgt.

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2023 10 18 14Einsatzkräfte in Chemikalienschutzanzügen untersuchen die undichten Kanister.

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2023 10 18 13Im Abrollcontainer V-Dekon erfolgt die Grobreinigung der ABC-Schutzkleidung.

2023 10 18 16Das Personal arbeitet in Gebläsefilteranzügen.

2023 10 18 17Es gilt eine strikte „Schwarz-Weiß-Trennung“.

2023 10 18 24Übungsbeobachter behalten das Geschehen im Blick. Sie ziehen am Ende ein positives Fazit.