Reibungslose Patientenrettung nach Explosion geübt!

Rettungsdienst und Feuerwehr gemeinsam im Einsatz

20210817 204747Herford/Hiddenhausen. Der Rettungsdienst Herford und die Feuerwehr Hiddenhausen haben gemeinsam einen „eingeklemmten Monteur“ gerettet. Solveig Sassenberg (22), Anna Nosbüsch (22) und Anica Petersen (21) übernahmen während der realistischen Übung die medizinische Erstversorgung des „Schwerverletzten“. Sie absolvieren zurzeit ihre Berufsausbildung zur Notfallsanitäterin. Dr. Steffen Grautoff, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Herford, zählte am Dienstagabend zu den Übungsbeobachtern. Die drei Auszubildenden rücken bereits zu Alltagseinsätzen mit aus. „Doch diesmal standen sie bei einem schweren Fall in der ersten Reihe und haben ihr theoretisches Wissen unter realitätsnahen Bedingungen angewendet!“ meinte der Notfallmediziner.

Das Gerätehaus Schweicheln-Bermbeck an der Herforder Straße wurde für die Übung zu einer Kraftfahrzeugwerkstatt umfunktioniert. Löschzugführer Torge Brüning schilderte die Ausgangslage. Ein Monteur habe einen Transporter mit einer Flüssiggasanlage ausgerüstet. „Dabei ist es zur Verpuffung gekommen!“ Viel mehr erfuhren die angehenden Notfallsanitäterinnen und die Besatzung des Hilfeleistungslöschfahrzeugs der Feuerwehr erst einmal nicht.

DSC 0424(v.l.) Übungsleiter Torge Brüning und die drei angehenden Notfallsanitäterinnen Anica Petersen, Anna Nosbüsch und Solveig Sassenberg.

20210817 204412Rettungsdienst und Feuerwehr arbeiten eng zusammen, um die bestmögliche Versorgung des „verunglückten Monteurs“ sicherzustellen.

Geschminkter Statist simuliert Schwerverletzten

Als die ersten Helfer vor Ort eintrafen, drang Rauch aus der „Werkstatthalle“. Augenzeugen des Unglücks, die von Statisten gespielt wurden, rannten panisch umher. Die Feuerwehrleute beruhigten und betreuten sie an der Verletzten-Sammelstelle. Der Angriffstrupp erkundete währenddessen unter schwerem Atemschutz die Halle. Ein junger Mann, so stellte sich heraus, lag eingeklemmt unter dem Transporter. Er hatte sich durch die Verpuffung schwere Verbrennungen zugezogen. Die Feuerwehrleute bereiteten unter Leitung von Gruppenführer Drees Beckmann umgehend die technische Rettung vor, während sich die drei jungen Auszubildenden vom Rettungsdienst der Feuerwehr Herford um die medizinische Erstversorgung kümmerten; denn mittlerweile hatte sich der Explosionsrauch verzogen. Die Rolle des Schwerverletzten übernahm ebenfalls ein Statist, der zuvor vom DRK-Team für realistische Unfalldarstellung mit künstlichen Wunden aus Theaterschminke versehen worden war.

Untersuchung und Versorgung nach ABCDE-Schema

Die angehenden Notfallsanitäterinnen untersuchten den bis zur Hüfte eingeklemmten Mann und wendeten dabei das sogenannte ABCDE-Schema an. Sie prüften zunächst die Atemwege (A wie Airway), kontrollierten dann nacheinander die Atemfrequenz (B wie Breathing), den Kreislauf (C wie Circulation) und neurologischen Zustand (D wie Disability). Schließlich stellten sie noch fest, ob weitere Verletzungen, wie etwa Knochenbrüche, vorlagen (E wie Exposure). Christof Bramorski und Florian Rabeneck, zwei erfahrene Notfallsanitäter der Feuerwehr Herford, behielten die Situation als Praxisanleiter im Blick. Sie versorgten die Auszubildenden ständig mit neuen Informationen zum jeweils vorliegenden Verletzungsmuster und Gesundheitszustand. Der Patient habe durch die Verpuffung heiße Brandgase eingeatmet, erläuterte Rabeneck. „Jetzt drohen die Atemwege zuzuschwellen!“ Solveig Sassenberg, Anna Nosbüsch und Anica Petersen bewahrten trotz der dramatischen Übungslage einen kühlen Kopf und stabilisierten den Gesundheitszustand des verunglückten Monteurs. Die Einsatzkräfte des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck hatten in der Zwischenzeit ein pneumatisches Hebekissen in Stellung gebracht. Damit gelang es, den Transporter um wenige Zentimeter anzuheben und den Schwerverletzten mit vereinten Kräften darunter wegzuziehen. Zwischenzeitlich war Marvin Deslandes, Assistenzarzt am Klinikum Bethel, vor Ort, der die Rolle des Notarztes übernahm. Er simulierte unter anderem eine Intubationsnarkose. Der Patient wurde schließlich per Schaufeltrage besonders schonend angehoben und danach mit einer Fahrtrage zum Rettungswagen transportiert.
Dr. Steffen Grautoff zog anschließend ein positives Fazit: „Ich halte gemeinsame Übungen von Rettungsdienst und Feuerwehr für wichtig. Nur so kann die Zusammenarbeit auch bei einem Realeinsatz reibungslos funktionieren.“ Die Einsatzkräfte von Rettungsdienst und Feuerwehr zeigten sich mit dem Ergebnis der Übung ebenfalls zufrieden. „Wir konnten viele neue Erfahrungen sammeln“, sagte Auszubildende Anica Petersen.

Bereits eine Woche zuvor gemeinsam im Einsatz

Aufgrund der Corona-Situation gibt es beim Löschzug Schweicheln-Bermbeck zurzeit zwei Dienstgruppen. „Sie üben mit zeitlichem Abstand, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren“, erläuterte Brandoberinspektor Torge Brüning. Bereits eine Woche zuvor waren Feuerwehr und Rettungsdienst gemeinsam im Übungseinsatz. Auf der Baustelle des neuen Gerätehauses an der Bahnhofstraße hatten sie einen „eingeklemmten Autofahrer“ versorgt und ihn anschließend mit Spezialgerät befreit.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

 

Stichwort: Notfallsanitäter-Ausbildung
Notfallsanitäter verfügen über die „höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst“. Sie sind darauf vorbereitet, schwere Erkrankungen und Verletzungen eigenständig zu behandeln und dürfen dabei auch bestimmte Notfallmedikamente eigenverantwortlich verabreichen. Die dreijährige Ausbildung ist umfangreich, anspruchsvoll, aber auch abwechslungsreich. Der theoretische Teil findet am Studieninstitut Westfalen-Lippe in Bielefeld statt, während die Praxis durch den Einsatzalltag auf der Feuer- und Rettungswache dazukommt. Die angehenden Notfallsanitäter absolvieren daneben ein mehrmonatiges Praktikum im Klinikum.

-Vo-

 

DSC 0420Die Mannschaft des Hilfeleistungslöschfahrzeugs ist als erstes vor Ort.

DSC 0429Drees Beckmann (rote Weste) leitet den Einsatz der Feuerwehrleute.

DSC 0421

DSC 0423

DSC 0428

DSC 0427Ein „Monteur“ ist eingeklemmt. Die Feuerwehr bereitet die technische Rettung vor.

DSC 0431

DSC 0436Währenddessen kümmert sich der Rettungsdienst um die medizinische Erstversorgung.

DSC 0438

20210817 203857Notarzt Marvin Deslandes (r) kümmert sich gemeinsam mit dem Rettungsdienst um die
weitere Stabilisierung des „Schwerverletzten“. Christof Bramorski, Dr. Steffen Grautoff und Florian Rabeneck (im Hintergrund v.l.) behalten das Geschehen im Blick.

20210817 204001

DSC 0448Mit vereinten Kräften gelingt es, den jungen Mann zu befreien.

DSC 0450

DSC 0455

20210817 204634Der „Patient“ wird mit einer Schaufeltrage schonend angehoben und ...

20210817 204747… anschließend auf eine Fahrtrage umgelagert.

20210817 204858

20210817 204939Übungsende

20210817 212040Übungsnachbesprechung mit Dr. Steffen Grautoff (2. v.r.)

20210817 212846

IMG 20210810 202334Beim Löschzug Schweicheln-Bermbeck gibt es zurzeit zwei Dienstgruppen. Bereits vor einer Woche hatte die Dienstgruppe 1 gemeinsam mit dem Rettungsdienst Herford auf der Baustelle des neuen Gerätehauses geübt. (Foto: Feuerwehr Hiddenhausen)