Drastische Unfallberichte machen Jugendliche nachdenklich

Zehn Jahre „Crash Kurs NRW“

DSC04346Düsseldorf/ Kreis Herford. Die 18- bis 24-Jährigen zählen zu der mit Abstand am stärksten gefährdeten Altersgruppe im Straßenverkehr. Anfänger- und Jugendlichkeitsrisiko treffen bei den jungen Fahranfängern zur gleichen Zeit zusammen; deshalb verunglücken sie überdurchschnittlich häufig. Zu diesem Ergebnis kommt die Wissenschaft. Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr und Notfallseelsorge sehen dabei nicht tatenlos zu. Sie besuchen gemeinsam die Schulen im Lande und erzählen den Jugendlichen der 10. und 11. Klassen hautnah und ungeschönt aus ihrem Einsatzalltag. Die drastischen Unfallberichte machen den Schülern unmissverständlich klar, dass durch zu schnelles Fahren innerhalb weniger Sekunden alle Lebensträume zerplatzen können. Vor zehn Jahren ging das Präventionsprojekt „Crash Kurs NRW“ an den Start.

Zwei junge Männer waren nach einem Discobesuch viel zu schnell und mit abgefahrenen Reifen unterwegs. Ihre Fahrt nahm ein schreckliches Ende: In Vlotho gerieten die Beiden mit ihrem Auto in den Gegenverkehr und schleuderten anschließend vor eine Mauer. Für die jungen Leute kam jede Hilfe zu spät. Sie verbluteten in den Fahrzeugtrümmern. André Storck ist Feuerwehrmann und Rettungssanitäter. Er war in jener Nacht als einer der ersten Helfer vor Ort. „Ich werde diese grausamen Bilder niemals vergessen!“ Im Rahmen des Projektes „Crash Kurs NRW“ erzählt der Stadtbrandinspektor regelmäßig den Schülern der Oberstufe seine Erlebnisse von damals. Polizisten, Notärzte und Notfallseelsorger mahnen mit ähnlichen Erlebnisberichten. Gemeinsam machen sie den Schülern bewusst, welche Folgen Leichtsinn im Straßenverkehr haben kann und wie schlimm solche Situationen für die Angehörigen, aber auch die Helfer selber sind. André Storck: „Du kommst da hin und kannst nicht mehr helfen!“

Strassenkreuz Claus MoserJedes Unfallkreuz am Straßenrand steht für eine Tragödie. Ein besonders hohes Unfallrisiko haben junge Erwachsene.
(Symbolfoto: Claus Moser, Flickr)

Eine Agentur hat Fotos von dem tragischen Unfallereignis in Vlotho zu einem Film aufgearbeitet. Die erschütternden Bilder und die eindringliche Musik zeigen zusätzlich ihre Wirkung. Manche Schüler, die eben noch herumgealbert hätten, würden jetzt ganz ruhig und andächtig, sagt Storck. „Die Jugendlichen merken, dass hier Helfer von ihren realen Empfindungen berichten.“ Hin und wieder fließen auch Tränen. Das betreffe vor allem Schüler, die bereits einen vergleichbaren Fall in ihrer Familie oder ihrem Freundeskreis gehabt hätten, weiß Storck. Solche Reaktionen werden durch die Lehrer und die geschulten Beamten des Verkehrskommissariats, die jede Crash-Kurs-Veranstaltung gemeinsam vorbereiten, aufgefangen.
Das Konzept wurde ursprünglich in der britischen Grafschaft Staffordshire (West Midlands) entwickelt und erstmalig umgesetzt. Ziel ist es, die Jugendlichen nachdenklich zu machen und zu sensibilisieren, damit sie sich ihrer eigenen Verantwortung im Straßenverkehr bewusst werden. „Unfallbilder kann man sich auch im Internet anschauen. Aber die eigentliche Wirkung wird durch die authentischen Erzählungen der Retter erzielt“, meint André Storck.

DSC04346Polizeidirektor Dirk Zühlke (5. v.l.) bedankt sich bei den Unterstützern des Präventionsprojektes „Crash Kurs NRW“,
das vor zehn Jahren durch die NRW-Polizei ins Leben gerufen wurde. André Storck (r) aus Rödinghausen und Marco Elmers aus Hiddenhausen (3. v.r.)
unterstützen die Kampagne als Feuerwehrleute. Auf dem Foto fehlt Björn Schäffer von der Feuerwehr Löhne.

(Foto: Kreispolizei Herford; aufgenommen vor der Corona-Pandemie)

IMG 5826Ehrenurkunde und Sondermedaille des NRW-Innenministeriums (Foto: privat)

Besondere Ehrung für die Unterstützer des Projektes

In NRW gibt es das Verkehrs-Präventionsprojekt seit mittlerweile zehn Jahren. Polizeidirektor Dirk Zühlke bedankte sich bei allen Unterstützern im Kreis Herford. „Nur durch Ihr persönliches Engagement ist dieses Programm überhaupt erst möglich. Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag für die Verkehrssicherheit im Kreisgebiet“, sagte Zühlke beim Jahresfrühstück in Hiddenhausen. Im letzten Jahr fanden hierzulande sieben Crash-Kurs-Veranstaltungen statt, mit denen über 1.900 Schüler erreicht wurden. An folgende Unterstützer überreichte Zühlke Ehrenurkunden und Sondermedaillen des Innenministeriums: Ulrike Schwarze (Polizeiseelsorgerin), Ralf Steiner (Seelsorger), Steffen Grautoff (Arzt), Marco Kauling (Arzt), André Storck (Feuerwehr), Marco Elmers (Feuerwehr), Jan Hendrick Homburg (Unfallbeteiligter), Stefan Göding, Birgit Assmann, Christina Gartzke, Andreas Liedtke u. Dietmar Hess (alle Polizei Herford).

Vision Zero

In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich im vergangenen Jahr rund 679.000 Verkehrsunfälle. 458
Menschen verloren dabei ihr Leben. In 97 Todesfällen war zu schnelles Fahren die Unfallursache. Auch wenn nachts die Zahl der Unfälle insgesamt sinkt: 18- bis 24-Jährige haben statistisch gesehen ein erhöhtes Risiko während dieser Zeit zu verunglücken - und zwar besonders am Wochenende. Das gilt verstärkt für den ländlichen Raum. „Unser langfristiges Ziel ist die Vision Zero“, sagte Innenminister Herbert Reul bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik 2019, „also die Zahl der Verkehrstoten bis zum Jahr 2050 nahe Null zu bringen.“ Dazu müsse man es schaffen, die Zahl der schweren Verkehrsunfälle, die vermeidbar seien, weiter zu reduzieren. Die Mancher des Projektes „Crash Kurs NRW“ leisten dazu sicherlich einen wichtigen Beitrag. (ots, Redaktion: kfv-herford.de)

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