"Killer Nummer 1" auf den Straßen

"Blitz-Marathon" soll zum Umdenken bewegen

Blitzmarathon VU Buender Str M KolpakDüsseldorf/Kreis Herford. Schwere Verkehrsunfälle gehören zum Alltag der Rettungskräfte. Im vergangenen Jahr starben 521 Menschen auf den Straßen in NRW, 13.159 wurden schwer verletzt.  Niemandem kann das Schicksal so vieler Menschen  egal sein.  Deshalb führt die Polizei in Kürze den nächsten „Blitzmarathon“  durch: Am Donnerstag (21. April 2016) wird die Geschwindigkeit in  vielen Teilen Deutschlands und dem europäischen Ausland kontrolliert, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Die Aktion ist allerdings Umstritten.

Zu schnelles Fahren ist „Killer Nummer 1“ auf unseren Straßen. Mehr als jeder dritte Verkehrstote ist Opfer zu hoher Geschwindigkeit.  Die Feuerwehren im Kreis Herford mussten alleine im letzten Jahr in 54 Fällen ausrücken, um eingeklemmte Personen mit schwerem Gerät aus ihren zerstörten Fahrzeugen zu befreien.

„Es hätte mit Sicherheit Tote zu beklagen gegeben!“

Die Polizei Herford erinnert in einer Pressemitteilung zum anstehenden „Blitzmarathon“ an einen schweren Verkehrsunfall, der sich am 8. Oktober 2015 auf der Umgehungsstraße (B 61/B 239) ereignet hatte und der auf eine zu hohe Geschwindigkeit zurückzuführen ist. Damals war ein Brummi-Pilot mit seinem Tanklastzug ungebremst auf einen Lastwagen aufgefahren, der an einem Stauende wartete.  Der Tank des Aufliegers, in dem sich Bitumen befand, hatte sich durch die Aufprallgeschwindigkeit von hinten gegen das Führerhaus geschoben. Dadurch war der 31-jährige LKW-Fahrer auf das Lenkrad und sein Kopf durch die Frontscheibe gedrückt worden. Die Polizeibeamten berichten weiter, dass der Mann mit seinen Beinen  „gravierend eingeklemmt“ gewesen sei.  Die Rettungskräfte der Feuerwehr Herford benötigten damals rund eine Stunde, um den Schwerverletzten mit hydraulischem Rettungsgerät aus der völlig deformierten Fahrerkabine zu befreien. Der Lastzug, auf den  der Mann aufgefahren war, drückte gegen einen im Stau vor ihm stehenden Opel Zafira. Durch den Aufprall hatten sich die vier Insassen in dem Auto Verletzungen zugezogen. „Wäre der Tankzug direkt auf den Zafira aufgefahren, hätte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehrere Tote zu beklagen gegeben“, meinen die Polizeibeamten, die den Horrorunfall damals aufgenommen haben. Die Geschwindigkeit ist an der Unfallstelle auf 100 Stundenkilometer begrenzt.  Für schwere Lastwagen gilt außerorts allerdings grundsätzlich Tempo 60.

Blitzmarathon Messung MIK NRW
NRW-Innenminister Ralf Jäger (l) ist von der Wirkung der „Blitz-Marathons“ überzeugt. (Foto: MIK NRW)


Behandlung auf der Intensivstation
 
Die Auswertung des digitalen Fahrtenschreibers ergab, dass der 31-jährige LKW-Fahrer zur Unfallzeit mit 86 Stundenkilometern - und damit deutlich zu schnell - unterwegs gewesen war. Die Polizei äußerte seinerzeit den Verdacht, dass der Mann durch „die Bedienung eines elektronischen Gerätes in der Fahrerkabine“ abgelenkt gewesen sein könnte, was ihm aber nicht nachgewiesen werden konnte. Der  31-Jährige hatte Kopf-, Becken- und Beinverletzungen erlitten, die lange Zeit im Klinikum Herford intensiv-medizinisch behandelt werden mussten.    Nach Verlegung in ein Krankenhaus an seinem Wohnort sei  er inzwischen wieder zu Hause und werde in naher Zukunft eine mehrwöchige Reha-Maßnahme antreten, so die weiteren Schilderungen der Polizei.  „Ob er wieder als Kraftfahrer arbeiten werden kann, steht noch nicht fest!“

Effekt setzt sich in den Köpfen der Autofahrer fest!

Die Polizei Herford nimmt das Schicksal des LKW-Fahrers zum Anlass, um im Vorfeld des „Blitzmarathons“ deutlich zu machen, wie viel Leid schwere Verkehrsunfälle nach sich ziehen.  Am Donnerstag (21.04.2016) wird die NRW-Polizei von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends vielerorts verstärkte Geschwindigkeitskontrollen durchführen.  Der „Blitz-Marathon“ gilt als Erfindung von NRW-Innenminister Ralf Jäger.  Die Aktion, die erstmals im Februar 2012 stattfand, hat sich nach den Worten des Ministers zu einem Exportschlager entwickelt. Im vergangenen Jahr hatten sich erstmals neben Deutschland 21 europäische Staaten an den Massengeschwindigkeits-Kontrollen beteiligt.  Jäger ist nach wie vor von seiner Idee überzeugt. „Eine wissenschaftliche Studie  hat die nachhaltige Wirkung belegt!“  Forscher des Instituts für Straßenwesen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen hatten im April 2015 in Köln den ersten europaweiten „Blitz-Marathon“ untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit nach einem solchen Aktionstag um zwei bis drei Stundenkilometer sinkt. Der Effekt der Kontrollaktion setze sich nach Meinung der Wissenschaftler für etwa zwei Wochen in den Köpfen der Autofahrer fest.

Niedersachsen klinkt sich aus

Es gibt aber auch kritische Stimmen. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius äußerte Zweifel an der Wirkung. „Unser Ziel, die Zahl schwerer Verkehrsunfälle nachhaltig zu senken, haben wir damit bisher nicht erreicht“, sagte er bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik des Landes.  In Niedersachsen wird es daher, so wie in mindestens vier weiteren Bundesländern,  am 21. April keinen „Blitzmarathon“ geben.  Andere Stimmen aus NRW kritisieren den hohen Personaleinsatz. Sie fordern stattdessen verstärkte Streifen durch die Wohngebiete, um die sprunghaft gestiegene Einbruchskriminalität (in NRW 2015 plus 18 Prozent!) in den Griff zu bekommen. (ots, MIK NRW, Redaktion: kfv-herford.de)

-Vo-

Blitzmarathon VU Buender Str M Kolpak
Schwere Verkehrsunfälle, so wie am 29. Februar 2016 auf der Bünder Straße in Löhne,
gehören zum Einsatzalltag von Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei. (Foto: Michael Kolpak, FW Löhne)

Blitzmarathon VU LKW Polizei HF
Zu hohe Geschwindigkeit ist einer der häufigsten Unfallursachen: Am 8. Oktober 2015 ist der
Fahrer eines Sattelzugs auf der Umgehungsstraße zu schnell unterwegs. Er prallt auf
ein Stauende und wird in der Fahrerkabine eingeklemmt. (Foto: Polizei Herford)