Fahrzeug des Monats August 2024 - LRZ

Fahrzeug des Monats

August 2024

Lösch- u. Rettungszug (LRZ)
Einsatzfahrzeug des Rettungsdienstes Furka-Tunnel (RFT)
der Matterhorn-Gotthard-Bahn/Schweiz
Standort: Furka-Basistunnel (Oberwald/Wallis; Realp/Uri)

Technische Daten

 

Fahrgestell (Hersteller)

Daimler Truck
Umrüstung/Aufbau: Hilton Kommunal, Gehrden/Nds. 

Bestandteile

Lösch- u. Rettungsfahrzeug,
Sanitätswagen,
Personentransportfahrzeug

Lösch- u. Rettungsfahrzeug

Typ Arocs 2642 (8x4)
- Leistung: 420 PS (310 kW),
- Schiebetüren,
- Länge: 12,50 m

Zweiwegefahrzeug (Straße/Schiene)
- Schienenfahrwerk hydraulisch ein- u. ausfahrbar,
- Schienenantrieb hydraulisch über
- Nebenantrieb des Fahrzeugmotors,
- Hydraulikbremse,
- 2 Führerstände (Front u. Heck),
- Vielfachsteuerung (Wendezugsteuerung),
- Steuerung von 1 Person per Joystick

Aufbau
- absetzbarer Container,
- Mannschaftsraum unter Überdruck (Dräger/Lübeck),
- Heckrampe (hydraulisch betrieben)

Ausrüstung
- vergleichbar mit Hilfeleistungslöschfahrzeug (HLF),
- Löschwassertank: 5.000 l

Sanitätswagen

Platz für 30 Personen,
ohne eigenen Antrieb,

Länge: 13,70 m

Ausrüstung
- Führerstand mit Atemluftanschluss (am Heck),
- Transportraum unter Überdruck (Dräger/Lübeck),
- Rampe (hydraulisch betrieben)
- Atemluftvorrat (300 bar): 328.000 l

Personentransportfahrzeug

Typ Arocs 2642 (8x4)
- Zweiwegefahrzeug (Straße/Schiene)
- Zugfahrzeug für den Sanitätswagen,
- techn. Daten s. Lösch- u. Rettungsfahrzeug

Aufbau
- absetzbarer Container,
- Transportraum unter Überdruck (Dräger/Lübeck),
- Platz für bis zu 30 Personen

Gesamtlänge

39 m

Höchstgeschwindigkeit

50 km/h

Indienststellung

2019

sonstiges

Es wurden zwei baugleiche LRZ beschafft, die an den Tunnelportalen in Oberwald und Realp stationiert sind.

Anschaffungskosten

rd. 5 Mio. Schweizer Franken (5,3 Mio. Euro)
- für beide LRZ (ohne Sanitätswagen)

Wissenswertes:
Die Matterhorn-Gotthard-Bahn (MGBahn) verkehrt im Herzen der Alpen. Das Streckennetz der privaten Schmalspurbahn führt unter anderem von Zermatt (Wallis) nach Disentis (Graubünden). Der 15,4 Kilometer lange Furka-Basistunnel verbindet dabei die exklusivsten Bergregionen der Schweiz. Vom Südportal bei Oberwald im Kanton Wallis (1.368 Meter) geht es unterirdisch in das 170 Meter höher gelegene Realp im Kanton Uri. Beidseitig befinden sich Autoverladestationen. Die Tunnelsicherheit hat in der Schweiz oberste Priorität. Deshalb ist der Rettungsdienst Furka-Tunnel (RFT) mit modernster Technik ausgestattet. Anfang 2019 stellte die MGBahn (rd. 680 Mitarbeitende) zwei neue Lösch- und Rettungszüge (LRZ) in Dienst, die in Oberwald und Realp stationiert sind. Dafür investierte das Unternehmen rund fünf Millionen Schweizer Franken (5,3 Mio. Euro).

Zweiwegefahrzeug MGBahn aZweiwegefahrzeug (MB Arocs 2642, Ausbau Hilton Kommunal) für die Tunnelfeuerwehr der Matterhorn-Gotthard-Bahn. (Foto: MGBahn)

Lastwagen ersetzen Lokomotiven

Jeder Zug besteht aus drei Einheiten: Lösch- und Rettungsfahrzeug, Sanitätswagen und Personenrettungsfahrzeug. Auf klassische Lokomotiven wurde aus Kostengründen verzichtet. Stattdessen verfügen beide LRZ über jeweils zwei Lastwagen vom Typ Mercedes-Benz Arocs 2642 (8x4), die als Zweiwegefahrzeuge ausgelegt sind und in ihrer Mitte den Sanitätswagen bewegen. Die Hilton Kommunal GmbH aus Gehrden bei Hannover hatte die Prototypen, die mit eigenem Antrieb auf Straße oder Schiene unterwegs sind, in Zusammenarbeit mit Custom Tailored Trucks, dem Umbauspezialisten von Mercedes-Benz Trucks, entwickelt.
Die Spezialfahrzeugbauer verlängerten den ursprünglich dreiachsigen Arocs, versahen ihn mit einem Hilfsrahmen und statteten ihn mit einer vierten Achse aus. Um Platz für das hydraulisch ein- und ausfahrbare Schienenfahrwerk zu schaffen, versetzten sie verschiedene Aggregate am Hauptrahmen. Außerdem ersetzten sie die serienmäßigen Lastwagentüren durch Schiebetüren, damit der Ein- und Ausstieg in der teilweise sehr engen Tunnelröhre möglich bleibt. Hydraulikmotoren, die sich an jeder Achse des Schienenfahrwerks befinden, sorgen für den Vortrieb. Sie werden über den Nebenantrieb des Arocs-Motors mit Energie versorgt. Jeder Lösch- und Rettungszug verfügt somit über zweimal 420 PS (310 kW). Die knapp 39 Meter langen Zugkomponenten erreichen damit eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. Die bereits vorhandenen Sanitätswagen wurden für die LRZ modifiziert und finden somit weiterhin Verwendung.

Menschenrettung und Brandbekämpfung

Der Aufbau des Lösch- und Rettungsfahrzeugs besteht aus einem absetzbaren Container. Über eine Schleuse geht es in den Mannschaftsraum. Der lässt sich bei Bedarf unter Überdruck setzen, um zu verhindern, dass giftiger Brandrauch eindringt. Das Zweiwegefahrzeug verfügt über einen Löschwassertank, der 5.000 Liter fasst. Eine hydraulisch betriebene Heckrampe ermöglicht den sicheren Ein- und Ausstieg. Die feuerwehrtechnische Beladung ist mit der Ausrüstung eines serienmäßigen Hilfeleistungslöschfahrzeugs (HLF) vergleichbar. Daneben zählen Spezialwerkzeuge für bahntechnische Hilfeleistungen zur Ausstattung.
Das Personentransportfahrzeug dient (primär) als Zugfahrzeug für den Sanitätswagen. Es ist ähnlich aufgebaut wie das Lösch- und Rettungsfahrzeug. Allerdings dient sein „Überdruckcontainer“ für den Fall einer Evakuierung als gesicherter Raum. Das gilt ebenso für den Sanitätswagen, der Platz für 30 Passagiere bietet. Für die Atemluftversorgung des Waggons steht ein Bündel von 300-Bar-Flaschen zur Verfügung, die insgesamt 328.000 Liter fassen. Jeder LRZ ist dafür ausgelegt, 60 Menschen in Sicherheit zu bringen.

Rückwärts in die Tunnelröhre

Kommt es im Furka-Basistunnel zu einem Unglücksfall, etwa zu einem Brand, dann fährt der LRZ rückwärts in die Tunnelröhre. Das Lösch- und Rettungsfahrzeug (1. Einheit) befindet sich damit zuvorderst. Dann folgen der Sanitätswagen und das Personentransportfahrzeug (2. Einheit). Vor Ort wird der LRZ getrennt. Die Mannschaft des ersten Arocs bleibt an der Unglücksstelle und übernimmt die Brandbekämpfung. Währenddessen ist der zweite Arocs - er hat die evakuierten Menschen an Bord - bereits auf dem Rückweg. Er zieht den Sanitätswagen vorwärts aus der Tunnelröhre. Damit solche Rettungsaktionen möglich sind, verfügen die beiden Zweiwegefahrzeuge des LRZ über Wendezugsteuerungen. Außerdem befindet sich am Heck der Lastwagen und des Sanitätswagens jeweils ein Hilfsführerstand mit Atemluftanschluss für den „Lokführer“. Das ist wichtig, weil ein Schienenfahrzeugführer immer direkten Blick auf die Strecke vor sich haben muss.

Der Rettungsdienst Furka-Tunnel ist eine betriebsinterne Hilfsorganisation. Die Betriebsfeuerwehr – sie hat ihre Wachen an den Portalen bei Oberwald (Wallis) und Realp (Uri) – zählt rund 50 Aktive. Sie sind größtenteils „Freiwillige“, die bei der MGBahn noch anderen Berufen nachgehen. Im Notfall rücken die Stützpunktfeuerwehr Goms und Chemiewehr Uri zur Unterstützung an. Sechs jährliche Übungen, davon zwei im Tunnel, zählen zum Pflichtprogramm der „Betriebsfeuerwehr RFT“. (Redaktion: kfv-herford.de)

-Vo-

image3Das Schienenfahrwerk ist hydraulisch aus- und einfahrbar. Der Aufbau kann bei Bedarf unter Überdruck gesetzt werden, um den giftigen Brandrauch zurückzuhalten. (Foto: Hilton Kommunal)

image2Die Zugkomponente besteht aus Personentransportfahrzeug (vorne), Sanitätswagen (Mitte) sowie Lösch- und Rettungsfahrzeug (hinten). (Foto: Hilton Kommunal)

image1Rückwärts geht es zum Einsatzort im Furka-Basistunnel. Das Lösch- und Rettungsfahrzeug befindet sich dann zuvorderst. Ist die Menschenrettung abgeschlossen, zieht das Personentransportfahrzeug den Sanitätswagen vorwärts aus dem Tunnel. (Foto: Hilton Kommunal)

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