Konzept der Feuerwehr Vlotho, um „Feuerwehrkrebs“ vorzubeugen
Vlotho. Feuerwehrleute leben gefährlich. Sie sind einem deutlich höheren Unfallrisiko ausgesetzt, als andere Berufsgruppen. Hinzu kommt die Gesundheitsgefahr durch den giftigen Brandrauch. So haben die Einsatzkräfte ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken. Mittlerweile versuchen die Wehren mit speziellen Hygienekonzepten besser vorzubeugen. Die Feuerwehr Vlotho hat sogar einen Hygiene-Anhänger beschafft, um den Gesundheitsschutz der Einsatzkräfte zu verbessern. Wechselkleidung und Hygieneartikel zählen zur Ausrüstung. Das Projekt der Weserstädter ist in dieser Form kreisweit einzigartig.
Kohlenmonoxid, Salzsäure oder Zyanidverbindungen: Die Liste an giftigen Substanzen, die im Brandrauch enthalten sind, ließe sich problemlos weiter fortführen. Sie gelangen über die Lunge oder die Haut in den Organismus. Deshalb hat die International Agency for Research on Cancer (Internationale Agentur für Krebsforschung IARC), eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Arbeit der Feuerwehrleute als „bekanntermaßen krebserregend“ eingestuft. „Auf Bundesebene finden zurzeit mehrere Untersuchungen zum Thema Krebsrisiken im Feuerwehrdienst statt“, sagt Torsten Sievering, Leiter der Feuerwehr Vlotho. Um die Arbeitsbedingungen für die Ehrenamtlichen weiter zu verbessern, gibt es an der Weser einen Arbeitskreis „Hygiene“. Jeweils ein Mitglied aus allen fünf Einheiten ist darin vertreten. „Arbeitskreis und Wehrführung haben mittlerweile ein Hygienekonzept erarbeitet und achten auf die Umsetzung.“
Die Einsatzhygiene gewinnt an Bedeutung, um Krankheiten vorzubeugen.
Die Feuerwehr Vlotho hat deshalb einen Hygiene-Anhänger angeschafft.
Flexibel nutzbarer Tandemanhänger
Damit die krebserregenden Stoffe nicht bis ins heimische Schlafzimmer „verschleppt“ werden, kommt der Dekontamination eine große Bedeutung zu. Das Hygienekonzept der Feuerwehr Vlotho sieht vor, dass sich der Angriffstrupp bereits an der Einsatzstelle umzieht. Die verunreinigte Schutzkleidung wird am Dekontaminationsplatz abgelegt, grob gereinigt und anschließend in Säcke verpackt. Damit das reibungslos klappt, hat die Wehr im Mai 2024 einen Hygiene-Anhänger in Dienst gestellt, der im Gerätehaus des Löschzugs Vlotho-Mitte Am Bullerbach stationiert ist. „Er wird bei entsprechender Alarmierung mit einem Mannschaftstransportfahrzeug (MTF) zur Einsatzstelle gebracht, auf dem Hygieneplatz aufgebaut und betrieben“, erläutert Wehrführer Torsten Sievering. „Welche Einheit das übernimmt, entscheidet der Einsatzleiter.“ Der Kofferanhänger mit Tandemachse verfügt auf der verkehrsabgewandten Seite über eine große Seitenklappe, während die Heckklappe wahlweise als Rampe oder Tür nutzbar ist.
Blick in den Innenraum: Die Lehrwerkstatt des Unternehmens Kannegiesser hat das Regalsystem konstruiert.
Lehrwerkstatt baut Regalsystem
Den Innenausbau hat die Ausbildungswerkstatt der Firma Kannegiesser Wäscherei-Technik übernommen, zu der die Feuerwehr Vlotho gute Beziehungen pflegt. Die Azubis konstruierten aus Alu-Profilen ein flexibles Regalsystem, das auf der rechten Seite des Anhängers seinen Platz hat. „Auf fünf Ebenen sind insgesamt 25 Kunststoffkästen untergebracht, die über die Seitenklappe entnommen werden können“, erläutert Jan Kohlstädt, der im Arbeitskreis „Hygiene“ mitarbeitet. Einsatz(-wechsel-)kleidung, Jogginganzüge und Gummistiefel für rund ein Dutzend Feuerwehrleute, aber auch Einmalhandschuhe, Plastiksäcke, Reinigungs- und Desinfektionsmittel gehören zum Inhalt der Boxen. Auf der linken Seite sind zwei luftdicht verschließbare Rollwagen („Schwarzkleidung“ und „Müll“) sowie ein Rollcontainer untergebracht, auf dem sich ebenfalls Wechselkleidung in unterschiedlichen Größen befindet. So kann die persönliche Hygieneausrüstung der Feuerwehr Vlotho auch dem Wechsellader-Fahrzeug mit begehbarem Abrollbehälter „Hygiene“ (AB „Hygiene“) zugeführt werden, den der Kreis Herford beschaffen will. Ein faltbarer Pavillon mit Beleuchtung und Heizung sowie Tische und Bänke gehören darüber hinaus zur Ausrüstung des Anhängers. „Die Feuerwehr Vlotho hat bereits während der Pandemie Hygienetaschen mit Wechselkleidung und Hygieneartikeln angeschafft, die auf jedem Löschfahrzeug mitgeführt werden“, so Kohlstädt.
In Deutschland sei bisher keine Krebsart als Berufskrankheit im Rahmen der Feuerwehrtätigkeit eingestuft, sagt Marcus Bätge von der Berufsfeuerwehr Hamburg, der 2016 die Initiative FeuerKrebs gründete. Die Einsatzkräfte treffe deshalb die Beweislast. Freiwillige Feuerwehrleute hätten es noch schwerer. „Da sie bei keiner Berufsfeuerwehr arbeiten“, so Bätge, „können sie im Falle einer Krebserkrankung diese auch nicht als Berufskrankheit anerkennen lassen.“ Es bestehe allerdings die Möglichkeit, sich an die Feuerwehrunfallkasse zu wenden. Deshalb sollten die Ehrenamtlichen darauf achten, dass ihre Namen bei Einsätzen mit krebserregenden Stoffen in einer Datenbank oder auf andere Weise registriert würden, rät der Gründer von FeuerKrebs.
Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)
Die Heckklappe lässt sich als Rampe oder …
… Tür nutzen.
Auf der linken Seite sind Rollcontainer und Rollwagen untergebracht.
Wird die Seitenklappe geöffnet, lassen sich zahlreiche Kunststoffboxen,
die unter anderem mit Wechselkleidung und Hygieneartikeln gefüllt sind, entnehmen.
Jan Kohlstädt zeigt den Inhalt der Kisten.
(v.l.) Kreisbrandmeister Bernd Kröger, Jan Kohlstädt (Arbeitskreis „Hygiene“), Bürgermeister Rocco Wilken und Wehrführer Torsten Sievering.