Lehrgang ABC-Dekontamination
Kreis Herford. Ein Explosionsunglück stellt die Rettungskräfte vor große Herausforderungen. Das gilt besonders, wenn die Haut der Verletzten mit giftigen und ätzenden Stoffen in Berührung gekommen ist. Sie müssen in einem solchen Fall noch an der Einsatzstelle dekontaminiert werden, bevor ihr Abtransport ins Krankenhaus erfolgen kann. Feuerwehrleute aus Herford, Hiddenhausen und Kirchlengern sowie Sanitätspersonal vom DRK-Ortsverband Herford haben das am Samstag (7.10.2017) gemeinsam an der Kreisfeuerwehrzentrale in Hiddenhausen-Eilshausen geübt.
Für die Verletzten-Dekontamination, in Fachkreisen kurz als Dekon-V bezeichnet, ist an der Feuerwache Herford seit dem Jahr 2013 ein sechs Meter langer Container stationiert. Er war vom Land, so wie an vielen Stellen in NRW, im Rahmen des Katastrophenschutzes beschafft worden. Im Notfall bringt die ABC-Einheit Herford den Abrollbehälter mit einem Wechselladerfahrzeug „huckepack“ zur Einsatzstelle. Bis zu 50 Verletzte können in der Anlage pro Stunde behandelt und einer entgiftenden Reinigung unterzogen werden. „Das funktioniert allerdings nur, wenn ausreichend Ärzte, Notfallsanitäter und vor allem Dekontaminationshelfer vor Ort sind“, sagte Sven Büttner, Leiter der ABC-Einheit. Um die Verletzten-Dekontamination in der 400 Quadratmeter großen Anlage reibungslos durchführen zu können, würden alles in allem 60 Einsatzkräfte benötigt. Aus diesem Grund sei weiteres Personal ausgebildet worden, so Büttner. Insgesamt 25 Feuerwehrleute aus Hiddenhausen und Kirchlengern sowie vom DRK-Ortsverband Herford absolvierten erstmals im Kreis Herford einen 36-stündigen Lehrgang „ABC-Dekontamination-V“.
Retter rücken in Chemikalienschutzanzügen vor
An der Kreisfeuerwehrzentrale wurde das theoretische Wissen praktisch geübt. Zwei junge Frauen, so die genommene Lage, waren durch eine Explosion schwer verletzt worden und dabei mit einer giftigen und ätzenden Substanz in Kontakt geraten. Jan Dressler und Niclas Grotegut von der Feuerwehr Kirchlengern übernahmen gemeinsam mit Lara Schmid und Leon Damrath vom DRK ihre Rettung. Die beiden Trupps hatten sich zuvor mit gasdichten Chemikalienschutzanzügen ausgerüstet. Sie transportierten die Unglücksopfer, deren Verletzungen eine DRK-Helferin zuvor aus Theaterschminke täuschend echt modelliert hatte, aus dem Gefahrenbereich zum Dekontaminationsplatz. Im sogenannten „Schwarzbereich“ bereiteten Valentin Schäfer, Fabian Essling (Feuerwehr Kirchlengern) und Fabian Grün (Feuerwehr Hiddenhausen) die Dekontamination vor. Sie trugen zum Eigenschutz Gebläsefilteranzüge, die per Akku angetrieben wurden und ständig unter Überdruck standen. Mit einer Spezialschere entfernten sie zunächst die Kleidung der Explosionsopfer, desinfizierten ihre Wunden und klebten sie notdürftig mit einer speziellen Operationsfolie ab. Der rechte Arm von Laura Engel, einer der beiden Statistinnen, war von einem Metallsplitter durchbohrt worden. „Den Fremdkörper müsst ihr steckenlassen und mit Saugkompressen umarbeiten“, riet Notfallsanitäter und ABC-Zugführer Maik Balke, der den Ablauf genau beobachtete. Auf Rettungsbrettern, von den Fachleuten Spineboards genannt, wurden die Patientinnen über eine Rollenbahn in den Container geschoben. Hier fand im Anschluss die eigentliche Reinigungsprozedur unter der Dekon-Dusche statt. David Schüller, Lukas Rottmann (Feuerwehr Hiddenhausen) und Maximilian Schäfer (Feuerwehr Kirchlengern) übernahmen diese Aufgabe ebenfalls in Gebläsefilteranzügen. Nach der „Kopf bis Fußreinigung“ mit spezieller Dekonseife landeten die Verletzten schließlich im „Weißbereich“, einem luftgestützten Zelt, das auf der gegenüberliegenden Containerseite angebaut war. Hier würden Notärzte und Notfallsanitäter im Ernstfall alle weiteren Maßnahmen durchführen.
Komplettversorgung
„Wir arbeiten mit dem Dekon-V quasi autark“, erläuterten Jens Ruschke und Marco Nolting vom ABC-Zug Herford. Im Heck des Containers gebe es einen Durchlauferhitzer für den Betrieb der Dekon-Duschen. Außerdem seien Gebläse zum Heizen und Lüften der Zelte und ein leistungsstarker Stromerzeuger vorhanden. Damit könnte ein „Powermoon“ betrieben werden, der zum Ausleuchten der Einsatzstelle diene. Zelte und Geräte sind auf sieben Rollwagen verladen, die in den vier Geräteräumen des Containers Platz finden.
Am Ende fiel das Fazit der Lehrgangsteilnehmer durchweg positiv aus. Besonders die praktischen Übungen mit den Spezialgeräten des ABC-Zugs seien interessant gewesen „Im nächsten Jahr werden noch weitere Dekontaminationshelfer ausgebildet“, sagte stellvertretender Kreisbrandmeister und Ausbildungsbeauftragter Bernd Kröger. Bleibt zu hoffen, dass sie nie zu einer echten ABC-Katastrophe ausrücken müssen.
Von Jens Vogelsang
(Text und Fotos)
Der Abrollbehälter Dekon-V wurde vom Land NRW für den Katastrophenschutz beschafft.
Er wird vom ABC-Zug mit einem 26-Tonner zur Einsatzstelle gebracht.
Die Beladung, wie Stromerzeuger und …
… zwei luftgestützte Zelte für den „Schwarz-„ und „Weißbereich“ sind auf sieben Rollwagen untergebracht.
Der Technikraum im Heck des Containers mit den Ladestationen für die Gebläsefilter und …
… dem Durchlauferhitzer.
Aufbau der Zeltheizung und …
… Rollenbahn, über die später die Rettungsbretter gleiten.
Die Dekontaminationshelfer machen sich bereit.
Ihre Gebläsefilteranzüge arbeiten mit Akkuantrieb.
Beim Rettungstrupp der Feuerwehr Kirchlengern laufen ebenfalls die Vorbereitungen.
Lara Schmid (DRK) steigt in den Chemikalienschutzanzug.
Die beiden CSA-Trupps bringen eine „Verletzte“ auf einem Rettungsbrett in Sicherheit.
Die Helfer beginnen mit den Vorbereitungen für die Dekontamination.
Notfallsanitäter Maik Balke (Mitte) behält dabei jeden Schritt im Blick.
Augen und Mund werden geschützt.
Auf der Patientenanhängekarte ist der Schweregrad der Verletzungen vermerkt.
Reinigungsprozedur unter der Dekon-Dusche
Laura Engel, die zweite Statistin, trifft im „Schwarzbereich“ ein.
Ihr Arm ist von einem Metallsplitter durchbohrt.
Die Wunde wird mit Saugkompressen „umarbeitet“ und mit Operationsfolie abgeklebt.
Der Container ist geteilt. Während rechts die liegend Verletzten dekontaminiert werden,…
… findet links die Reinigung der Einsatzkräfte statt.
Das Team des DRK unter Leitung von stellv. Kreisrotkreuzleiter Nico Dürkop (2. v.r.) und Verletzten-Darstellerin Laura Engel (Mitte)
Unter Leitung von Sven Büttner (l) fand im Kreis Herford erstmals ein ABC-Dekontamination-V-Lehrgang statt.
Bildquelle Pascal Pörtner, ABC-Zug Herford
Bildquelle Pascal Pörtner, ABC-Zug Herford
Bildquelle Pascal Pörtner, ABC-Zug Herford
Bildquelle Pascal Pörtner, ABC-Zug Herford
Bildquelle Pascal Pörtner, ABC-Zug Herford