Balsam für die Seele

PSU-Teams kümmern sich um die Einsatznachsorge

DSC 0230Kreis Herford. Feuerwehrleute und Sanitäter sind hart im Nehmen. Doch geht es um die Rettung von Schwerstverletzten, dann stockt auch ihnen so manches Mal der Atem. Sie haben Angst, dass sich die schrecklichen Bilder im Kopf festsetzen und ihre Seele Schaden nimmt. Damit das nicht passiert gibt es die Psychosoziale Unterstützung der Feuerwehr. Sie ist als schnelle Krisenintervention zu verstehen und bietet den Einsatzkräften ein erstes Gesprächsangebot, damit diese ihre schlimmen Erlebnisse verarbeiten, ohne selber Schaden zu nehmen. Erst kürzlich trafen sich die PSU-Teams aus dem Kreis Herford in der Feuerwehrzentrale zum Erfahrungsaustausch.

Die Feuerwehren Bünde, Herford und Spenge treiben die Psychosoziale Unterstützung (PSU) im Wittekindsland besonders intensiv voran. Auf diese Weise sollen die Einsatzkräfte vor akuten Belastungsstörungen, die durch Tod und Gewalt ausgelöst werden können, bewahrt werden. In den anderen Wehren ist das Interesse an dem Thema ebenfalls groß. „Die Zeit der Supermänner, die glauben jeden noch so grausamen Unfall spurlos wegstecken zu können, ist nämlich vorbei!“, erklärte Sven Büttner (Herford), der das Treffen auf Kreisebene gemeinsam mit Philip Hergt (Bünde) leitete. Mit dem Problem der akuten Belastungsstörung, die sich zu einer therapiebedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung entwickeln kann, wird längst offen umgegangen. „Vorbehalte gegen unsere Arbeit gibt es nur noch ganz vereinzelt!“, so Büttner. Die PSU-Teams setzen sich aus haupt- und ehrenamtlichen Feuerwehrleuten zusammen. Mit Jörg Schumacher, der die Idee zur kreisweiten Zusammenarbeit hatte, gehört auch ein Mitarbeiter der Kreisleitstelle dazu. Den Wehrleuten, die nach einem schweren Einsatz Rat suchen, sitzen damit Gesprächspartner gegenüber, die mit der Materie Feuerwehr vertraut sind. „Das ist für den Erfolg unserer Arbeit sehr wichtig“, meinte Büttner.

Noch sind die Strukturen im Aufbau. Die PSU-Helfer können aber schon jetzt kreisweit angefordert werden. Zurzeit läuft die Alarmierung per Whatsapp-Nachrichtendienst oder Telefonkette. In Zukunft werden dafür wohl die digitalen Funkmeldeempfänger der Feuerwehr genutzt. Außerdem könnte der Maßnahmenkatalog des Einsatzleitprogramms ergänzt werden. Der Disponent der Kreisleitstelle wird dann bei bestimmten Einsatzsituationen automatisch darauf hingewiesen, beim Einsatzleiter nachzufragen, ob PSU-Bedarf besteht. „Technisch ist das problemlos möglich!“, so Jörg Schumacher, der als Leitstellendisponent tagtäglich mit der Abwicklung der Notrufe beschäftigt ist.

Einmaliges Gespräch reicht oftmals nicht aus

Während des Erfahrungsaustausches am Donnerstagabend wurde über die schweren Unglücksfälle der vergangenen Monate gesprochen. Im Hahler-Hafen in Minden war Anfang Juli eine Motoryacht explodiert. 15 Feuerwehrleute und ein Polizist hatten zum Teil schwere Verletzungen davon getragen. PSU-Teams aus dem gesamten Umkreis waren zur Unfallstelle geeilt, um vor Ort die geschockten Kameraden zu betreuen. Im gleichen Monat hatte sich im Kreis Herford ein schwerer Verkehrsunfall ereignet, bei dem eine Frau ums Leben kam. Auch bei diesem Einsatz waren die Einsatzkräfte psychosozial unterstützt worden. Durch die Berichterstattung in den Medien entstehe oftmals der Eindruck, damit sei alles wieder gut. Doch ein einmaliges Gespräch reiche oftmals nicht aus, gab Philip Hergt zu bedenken. Bestehe die Gefahr einer traumatischen Erkrankung, sollte der Unfallkasse eine Dienstunfallanzeige zur Kenntnisnahme zugeleitet werden. Das muss auch für diesen Fall zum Standardprozess werden. „Solche Unfallanzeigen werden schließlich bei jeder kleinen Schnittverletzung geschrieben!“ Kommt es im Anschluss tatsächlich zu einer psychischen Erkrankung, ist die Unfallkasse sofort im Bilde und der kranken Seele des Retters kann sofort professionell geholfen werden.

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Rettungskräfte bekommen nicht selten schlimme Bilder zu Gesicht. (Symbol-Foto: Archiv
Redaktion: kfv-herford.de)

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Damit sie selber keinen seelischen Schaden nehmen, gibt es die Psychosoziale Unterstützung.
(Symbol-Foto: Archiv Redaktion: kfv-herford.de)

„Solche schlimmen Bilder habe ich noch nicht gesehen!“

Katrina Meyer leitet das PSU-Team der Feuerwehr Spenge. Sie berichtete während des Treffens an der Kreisfeuerwehrzentrale von einem schweren Unfall, der erst kürzlich am Rande eines Volksfestes im benachbarten Landkreis Osnabrück passiert war. Ein Jugendlicher hatte auf dem Weg nach Hause offenbar eine Abkürzung über die Autobahn nehmen wollen. Dabei hatte ihn ein Autofahrer gegen ein Uhr nachts mit hoher Geschwindigkeit frontal erfasst. Der Junge war sofort tot. Katrina Meyer und Philip Hergt, die auf der Kirmes für das DRK Sanitätsdienst geleistet hatten, waren mit dem Rettungswagen als erstes vor Ort. „Solche schlimmen Bilder habe ich noch nicht gesehen!“, sagte Meyer, die als Intensiv-Krankenschwester einiges gewohnt ist. Einem beteiligten Autofahrer sei es besonders schlecht gegangen. Die beiden Helfer hatten ihn daraufhin bis zum Eintreffen des Notfallseelsorgers betreut. Zurück auf dem Festplatz hatten sie den Angehörigen Trost gespendet und Gespräche mit Mitschülern geführt. Meyer und Hergt wirkten erleichtert, über das tragische Unglück im vertrauten Kreis nochmals sprechen zu können. „Ich habe alles getan, um die Situation ein kleines bisschen erträglicher zu machen“, sagte Hergt. Das Team muss sich jetzt gegenseitig stützen, meinte Dieter Wollersheim, der als Fachberater Seelsorge und Synodalbeauftragter des Kirchenkreises Herford an der Besprechung teilnahm.
Die Psychosoziale Unterstützung kann den Einsatzkräften auch bei alltäglichen Lebenskrisen, die etwa auf familiäre Schwierigkeiten oder Alkoholprobleme zurückzuführen sind, Hilfestellung bieten. Größere Berufsfeuerwehren hätten bereits gute Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt, schilderte Jörg Schumacher. „Wir fühlen uns ebenfalls verpflichtet, unsere Kameraden bei solchen Problemen zu unterstützen!“

PSU-Assistenten und PSU-Helfer werden gebraucht!

Die Psychosoziale Unterstützung soll im Kreis Herford weiter ausgebaut werden. Jeder mögliche PSU-Lehrgang müsse dazu belegt werden, hieß es während des gemeinsamen Treffens. Die Ausbildung zum PSU-Assistenten findet am Institut der Feuerwehr in Münster statt. „Sie umfasst 180 Stunden, die in sechs Module aufgeteilt sind“, so Jörg Schumacher. Michael Bartl, Michael Gießel, Lars und Melanie Scheer sowie Tim Tegelhütter sind PSU-Helfer der Feuerwehr Spenge. Sie haben das nötige Grundwissen im November 2016 während eines Ausbildungskurses unter Leitung der Feuerwehr Bielefeld erlangt.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)


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Die PSU-Teams aus dem Kreis Herford trafen sich zum Erfahrungsaustausch in der Kreisfeuerwehrzentrale:
(v.l.) Sven Büttner (Herford), Lars u. Melanie Scheer (Spenge), Katrina Meyer (Spenge), Dieter Wollersheim (Herford),
Philip Hergt (Bünde) u. Jörg Schumacher (Kreisleitstelle)

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Sven Büttner (r): „Vorbehalte gegen unsere Arbeit gibt es nur noch ganz vereinzelt!“

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Katrina Meyer und Philip Hergt (Mitte) berichten über ihre Erfahrungen,
die sie bei einem schweren Unfall auf der Autobahn gesammelt haben.

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Das Team müsse sich in solchen Situationen gegenseitig stützen, meinte Notfallseelsorger Dieter Wollersheim (r).

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Melanie und Lars Scheer wurden im vergangenen Jahr zu PSU-Helfern der Feuerwehr Spenge ausgebildet.