Mit 271 PS durch die Kurve

Feuerwehr Löhne absolviert Fahrsicherheitstraining

IMG 4078Löhne/Rüthen. Brandeinsatz für die Feuerwehr: Der Löschzug rückt mit Blaulicht und Martinshorn aus. Alle anderen Verkehrsteilnehmer fahren sofort rechts ran, um „freie Bahn zu schaffen“. So sollte es sein. Doch die Praxis sieht oft anders aus. Im Einsatzalltag kommt es immer wieder zu heiklen Situationen im Straßenverkehr. Fahrsicherheitstrainings bilden mittlerweile eine sinnvolle Zusatzausbildung für die Kraftfahrer bzw. Maschinisten der Feuerwehr. Ehrenamtliche aus Löhne lernten jüngst während einer solchen Schulung „die Grenzen der  Fahrphysik kennen“.

Sieben Aktive der Löschgruppen Obernbeck und Ort waren dazu mit zwei großen Löschfahrzeugen zur Verkehrsübungsanlage „Kaiserkuhle“ im einhundert Kilometer entfernten Rüthen (Kreis Soest) aufgebrochen. Dort gibt es auf einer Fläche von mehr als 17.000 Quadratmeter eine 700 Meter lange Übungsstrecke mit Kreisbahn und Gleitfläche. Vor Ort sammelte Verkehrssicherheitstrainer Burkhard Matteikat zunächst Informationen über die Fahrer und ihre Erfahrungen mit Feuerwehrgroßfahrzeugen im Straßenverkehr. Fehlreaktionen von Autofahrern seien bei „Alarmfahrten“ an der Tagesordnung, wurde aus dem Teilnehmerkreis berichtet. Enge, zugeparkte  Wohnstraßen bereiteten zusätzliche Probleme. Ein schweres Löschfahrzeug hier sicher durchzulenken, sei schon nicht einfach. Die Löhner äußerten anschließend ihre Erwartungen gegenüber Trainer Matteikat: „Wie reagiert das Fahrzeug in Extremsituationen? Wo liegen die Grenzen? Wie weit darf ich als Fahrer gehen, damit alle sicher an der Einsatzstelle ankommen?“
Nach dem ersten klärenden Gespräch ging es auf das Übungsgelände.  Der Trainer erklärte zunächst, wie wichtig die korrekte Sitzhaltung sei. „Der Fahrer könnte sonst bei einer Gefahrenbremsung aus dem Sitz gehoben werden!“ Dann drehten die Teilnehmer einige  „Aufwärmrunden“ auf dem „multifunktionalen Testgelände“.  Als erste Übung stand die Gefahrenbremsung auf dem Programm. Sie wurde auf nassem Asphalt und bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten geprobt.  Bei doppeltem Tempo konnte ein vierfach längerer Bremsweg festgestellt werden. „Das ist einem oft nicht bewusst!“, so Burkhard Matteikat, der die Blauröcke anschließend durch die Kreisbahn fahren ließ, um das Über- und Untersteuerverhalten zu testen. „Kurz vorm Einlenken Fuß vom Gas und nicht so sehr auf die Hindernisse achten“, lauteten die Tipps vom Ausbilder beim Hindernisparcours. „Man lernt die Grenzen des Fahrzeugs bei einer solchen Übung sehr schnell kennen“, meinte ein Feuerwehrmann aus Obernbeck, nachdem er gerade eine Ausweichübung mit dem Hilfeleistungslöschfahrzeug erfolgreich gemeistert hatte.  Immerhin bringt der Wagen rund 14 Tonnen auf die Waage und hat 271 PS unter der Haube. „Die 2.000 Liter Löschwasser im Aufbau sind während der Fahrt ständig in Bewegung!“ Zum Schluss wurde in einem Wenderechteck vorwärts und rückwärts rangiert. So bekamen die Fahrer ein Gefühl für die Abmessungen der Autos.   
Beim Abschlussgespräch zeigten sich alle Teilnehmer begeistert. „Gerade während der Brems- und Ausweichübungen sind mir die Reaktionen des Fahrzeugs erst richtig bewusst geworden“, wurde aus dem Teilnehmerkreis geäußert. Jetzt könne man sich mit einem guten Gefühl hinter das Steuer setzen, um die Kameraden sicher zum Einsatzort zu fahren.  Die Gruppe aus Löhne bekam von Ausbilder Matteikat Urkunden überreicht und machte sich anschließend auf den Heimweg. Dem vernehmen nach sollen in nächster Zeit weitere Maschinisten aus der Werrestadt ein Fahrsicherheitstraining absolvieren.

Infos: Marvin Haase (Fw Löhne)
Fotos: Björn Schäffer (Fw Löhne)

Stichwort: Sonderrechte im Straßenverkehr
Nach § 35 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) kann die Feuerwehr, als so genannte befreite Organisation, von Sonderrechten im Straßenverkehr Gebrauch machen. Das gilt immer dann, wenn die Einsatzkräfte hoheitliche Aufgaben, wie beispielsweise die Rettung von Menschenleben oder die Brandbekämpfung, wahrzunehmen haben und das „Gebot der Dringlichkeit“ schnellstes Eingreifen erforderlich macht. Blaulicht und Einsatzsignal sind für die Feuerwehrleute allerdings kein „Freibrief“. Das haben zahlreiche gerichtliche Entscheidungen in der Vergangenheit deutlich gemacht. Der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs muss sich beispielsweise vor Durchfahren einer Kreuzung „bei Rot“ durch langsames „Herantasten“ zuverlässig vergewissern, ob der Querverkehr ihn auch wahrgenommen hat. Sonderrechte berechtigen auch nicht zu verantwortungsloser Raserei, im Urteilsfall waren es 104 Stundenkilometer, innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Eine Fahrt unter Sondersignal bedeute ein 17-fach höheres Unfallrisiko für den Fahrer, heißt es vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat. Alle 19 Sekunden könne es während einer Alarmfahrt zu einer kritischen Fahrsituation kommen.

-Vo-

(Quelle: Klaus Schneider, Richter a.D.: „Feuerwehr im Straßenverkehr“)


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Trainer Matteikat gibt über Funk die Kommandos an die Fahrer.

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Bremstest auf nasser Fahrbahn: Das Tanklöschfahrzeug hat 2.500 Liter Wasser an Bord, die ganz ordentlich „schieben“.

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Mit dem TLF 16/25 der Löschgruppe Ort und …

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… dem HLF 20/16 aus Obernbeck geht es rasant durch die Kurve.

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Die Ausweichmanöver auf der Gleitfläche verlangen schon einiges Können.

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Während der Rangierübungen ist Fingerspitzengefühl am Lenkrad gefragt.

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Sieben Maschinisten aus Löhne absolvieren in Rüthen ein Fahrsicherheitstraining.