Das "Fliegende-Auge" der Feuerwehr

Feuerwehr-Flugdienst Niedersachsen blickt auf 50-jährige Geschichte zurück

FlugzeugCessnaBodenFoto713Der Hochsommer hat Deutschland erfasst. Und mit der anhaltenden Trockenheit steigt die Waldbrandgefahr. Im Nachbarbundesland Niedersachsen hat die „Saison“ für den Feuerwehr-Flugdienst (FFD) längst begonnen. Zwei Maschinen vom Typ Cessna kreisen über den besonders gefährdeten Regionen. An Bord erspähen Luftbeobachter die Landschaft. Sie machen sofort Meldung, sobald am Boden irgendwo verdächtiger Rauch aufsteigt. Seit mittlerweile über 50 Jahren gibt es das bewährte Verfahren der Luftüberwachung zur Waldbrandfrüherkennung in Niedersachsen, das mit Unterstützung des Landesministeriums für Inneres und Sport unterhalten wird.

Im Verlaufe dieser Zeit seien durch die regelmäßigen Überwachungsflüge weit mehr als 1.000 Wald- und Flächenbrände entdeckt worden. „Gerade dadurch ist eine schnelle Brandbekämpfung erst möglich gewesen“, schreibt Karl-Heinz Banse, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsen (LFV-NDS) in seinem Grußwort zum Gründungsjubiläum. Dank der Früherkennung von Bränden durch den FFD, so schätzt Banse, seien in den niedersächsischen Wäldern alles in allem Schäden von mindestens 50 Millionen Euro verhindert worden. Für Boris Pistorius, Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport, ist der FFD das „Fliegende-Auge“ der Feuerwehr. Der Minister sieht die Waldbrandüberwachung in Niedersachsen mit Unterstützung der leistungsstarken „Späh-Flugzeuge“ bestens aufgestellt. Die Broschüre zur Geschichte des Feuerwehr-Flugdienstes hat der Kreisfeuerwehrverband Herford vom Landesfeuerwehrverband Niedersachsen „druckfrisch“ zur Verfügung gestellt bekommen. Einheiten aus dem Kreis Herford waren im August 1975 nach Niedersachsen ausgerückt. Sie hatten die Löscharbeiten bei der   größten Waldbrandkatastrophe in der deutschen Nachkriegsgeschichte unterstützt. Damals hatten  fünf Feuerwehrkameraden aus Hohenhameln und Wolfsburg-Fallersleben auf tragische Weise ihr Leben verloren, nachdem sie in einen Feuersturm geraten waren.

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„Florian Flugdienst Niedersachsen D-ENDS“ am Stützpunkt in Lüneburg (Foto:  © LFV-NDS)

Die Anfänge der Luftüberwachung sind in den großen Wäldern Nordamerikas zu finden. Dort kommt es noch heute immer wieder zu gewaltigen Bränden, teilweise mit Feuerfronten bis zu einer Länge  von 500 Kilometer (siehe auch „Stichwort: Hotshot-Einheit“). Über Frankreich, Österreich, Polen, der Sowjetunion, Norwegen und Schweden kam der Feuerwehr-Flugdienst im Jahre 1962 nach Niedersachsen. Am Flughafen Braunschweig fand ein erster Ausbildungslehrgang für Feuerwehr-Flugbeobachter statt. 1969 erhielt der FFD Rettungshubschrauber von Typ Bristol Sycamore, die an der Feuerwache 4 in Hannover und im Kreis Diepholz stationiert wurden. In den siebziger Jahren transportierten Bundeswehrhubschrauber vom Typ Bell UH1D erstmals Löschwasserbehälter mit bis zu 5.000 Liter Wasser. Sie waren vom FFD als Konsequenz aus der Waldbrandkatastrophe von 1975 maßgeblich mitentwickelt worden. Zum Jahresende 2007 wurde die „Flugzeugflotte“ des LFV-NDS modernisiert. Für die bisher vorhandenen drei Maschinen kamen allerdings nur zwei neue Flieger, die an den Stützpunkten Lüneburg (Kennzeichen: D-ENDS) und Peine-Hildesheim (Kennzeichen: D-EFVP) stationiert sind. Der Stützpunkt in Damme steht seither ohne Flugzeug da. Die dritte Maschine wird von den Verantwortlichen allerdings weiterhin gefordert, um den Weser-Ems-Bereich „gesichert abdecken“ zu können. Die beiden neuen sechssitzigen Propeller-Flugzeuge vom Typ Cessna 206 (300 PS, 240 Stundenkilometer Spitze) erreichen eine Höhe von bis zu 700 Meter und sind mit BOS-Funk und GPS-Geräten zur Satellitennavigation ausgestattet.

Pilot und Flugbeobachter, beide sind Feuerwehrangehörige, sowie ein Forstbeamter der Niedersächsischen Landesforsten, der über besondere Kenntnisse der Wälder und der Örtlichkeiten verfügt, bilden jeweils eine „Florian-Flugdienst-Crew“. Flugbeobachter darf sich übrigens nur nennen, wer auch über das entsprechende Fachwissen verfügt. Und dazu ist zunächst einmal die Ausbildung als Zugführer an der Niedersächsischen Akademie für Brand- und Katastrophenschutz (NABK)  in Celle oder Loy erforderlich. Die Auswahl für die Fortbildungsmaßnahme zum Flugbeobachter erfolgt dann ausschließlich durch den LFV-NDS. Auf einem Flugplatz wird der praktische Teil des Lehrgangs, bei dem die Wehrleute, sie sind allesamt ehrenamtlich und unentgeltlich für den FFD tätig, an die Arbeit in einem Flächenflugzeug herangeführt werden. Navigationsarbeit mit verschiedenen Karten, Erkennen von Schadensstellen, Übermittlung der Koordinaten und die Schadensdokumentation mit der Digitalkamera erfordern dabei höchste Konzentration und vollen Einsatz.

-Vo-

Ein besonderer Dank geht an den LFV-NDS (Joachim Gräfer, Schaumburg) für die Überlassung der Bild- u. Textinformationen.

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Blick ins (Bildschirm-)Cockpit eines FFD-Fliegers. (Foto:  © LFV-NDS)

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Die aktuellen Maschinen vom Typ Cessna 206 H auf dem Rollweg zur Startbahn.
(Foto:  © LFV-NDS)

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Hubschrauber „Bell UH1D“ mit Löschwasserbehälter über einem Waldbrandgebiet
(Foto:  © LFV-NDS)

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Historische Aufnahme aus den Sechzigern: Hubschrauber "Bristol Sycamore"
(Foto:  © LFV-NDS)

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Ein Waldbrand wird vom FFD gerade noch rechtzeitig entdeckt. Aus der Luft werden die
"bodengebundenen Einsatzkräfte" eingewiesen. (Foto:  © LFV-NDS)

Mehr Informationen? Als in Niedersachsen die Wälder brannten.

Stichwort: Waldbrand

Die Waldfläche beträgt in Deutschland etwa 11 Millionen Hektar. Das macht 31 Prozent des Bundesgebietes aus. Für das Jahr 2011 verzeichnete die Statistik mit 888 Waldbränden den niedrigsten Stand seit 25 Jahren. Experten führen das auf die relativ starken Niederschläge im Jahresverlauf zurück. Dennoch verbrannte eine Fläche von 214 Hektar. Am häufigsten standen im Jahr 2011 die Wälder in Brandenburg in Flammen (225 Fälle). Hier gibt es besonders viele Kiefernschonungen auf trockenen Sandböden. Niedersachsen lag 2011 mit 132 Waldbränden auf Platz 2 der Statistik. (Zum Vergleich: 56 Waldbrände gab es im eher waldarmen NRW)

-Vo-  

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Waldbrände richten Jahr für Jahr Schäden in Millionenhöhe an. (Foto:  © LFV-NDS)

 

Stichwort: Hotshot-Einheit

Diese Nachricht schockierte: Ende Juni waren in Arizona (USA) 19 Einsatzkräfte bei einem verheerenden Wald- und Buschbrand ums Leben gekommen, der in dem US-Bundesstaat tobte. Es handelte sich um eine der schwersten Feuerwehrtragödien der letzten Jahrzehnte. Die Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren gehörten zu einer so genannten Hotshot-Einheit. Die Elitetruppe war darauf trainiert, direkt in ein Brandgebiet hineinzugehen und eine Schneise zu schlagen, um so dem Feuer den Weg abzuschneiden. Doch diesmal sollen kräftige Windböen das Feuer in zwei Richtungen geteilt und zurück zur Gruppe getrieben haben. Die Spezialeinheit, so wurde berichtet, sei schließlich von einer Feuerwalze überrollt worden. Den durchtrainierten Feuerwehrmännern sei keine Gelegenheit mehr geblieben, Löcher zu graben und sich unter ihren feuerfesten Schutzzelten zu verkriechen. Das Schicksal der 19 US-Firefighters hat gezeigt, dass solche und ähnliche gewagte Einsatztaktiken hohe Risiken bergen. Sie kommen daher in Deutschland nicht zur Anwendung.

-Vo-  


US-Smokejumpers-Dragomiloff-Mattes
Eine amerikanische Spezialeinheit macht sich auf  den Weg. In den USA sterben jedes Jahr
125 Firefighter. Oftmals sind die Dienstunfälle auf gewagte Taktiken zurückzuführen.
(Foto: Dragomiloff/Mattes)