Einsatz der Mobilen Führungsunterstützung OWL im Katastrophengebiet
Kreis Herford/Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das menschliche Leid und die immensen Zerstörungen sind kaum in Worte zu fassen. Der Kreis Ahrweiler, ganz im Norden von Rheinland-Pfalz, ist von der schlimmsten Hochwasserkatastrophe seit Menschengedenken besonders schlimm betroffen. Dort starben allein mehr als 130 Menschen. Zwei Wochen nach dem Unglück laufen die Aufräum- und Instandsetzungsarbeiten unermüdlich weiter. Tausende Helfer sind rund um die Uhr im Einsatz. Christian Eder (Herford), Bernd Gante (Hiddenhausen) und Thomas Prüßmeier (Vlotho) kehrten am Donnerstag (29.07.2021) aus dem Katastrophengebiet zurück. Gemeinsam mit anderen Feuerwehrleuten aus OWL hatten sie den Führungsstab in Bad Neuenahr-Ahrweiler unterstützt. „Das waren bedrückende Bilder“, sagte Prüßmeier bei seiner Rückkehr.
Eigentlich ist die Ahr ein beschaulicher Fluss. Die normale Wassertiefe beträgt am Pegel in Altenahr gerade einmal 70 Zentimeter. Nach den sintflutartigen Regenfällen Mitte Juli hatte sich das schlagartig geändert: Eine bis zu sieben Meter(!) hohe Flutwelle war durch das Ahrtal gewalzt. Ganze Ortschaften versanken in den Wasser- und Schlammmassen. Das Hochwasser zerstörte fast 500 Häuser komplett, mindestens 17.000 Menschen haben ihr Hab und Gut verloren. Vierzehn Tage nach der Katastrophe sind im Norden von Rheinland-Pfalz, an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen, weiterhin rund 5.000 Helfer, darunter Einsatzkräfte von Feuerwehr und THW sowie Soldaten der Bundeswehr, im Einsatz. Am Nürburgring, der traditionsreichen Autorennstrecke, befindet sich nun ein logistisches Drehkreuz für den Katastrophenschutz.
Die Schäden im Ahrtal sind immens. Ganze Ortschaften sind in den Wasser- u. Schlammmassen versunken. (Foto: IM Rheinland-Pfalz)
„Das Ausmaß der Zerstörungen ist nur schwer zu beschreiben“, meinte Bernd Gante, der zur Mobilen Führungsunterstützung OWL (MoFüSt OWL) gehört. Die Flutwelle habe nahezu die komplette Infrastruktur zerstört. Der Weg zum Hotel in Meckenheim (NRW) führte für das MoFüSt-Team OWL über die einzige noch intakte Brücke. „Und die war auch nur für Fahrzeuge bis 16 Tonnen freigegeben!“, schilderte Gante. Viele Gebäude hätten bis zur Oberkante Erdgeschoss im Wasser gestanden, entsprechend hoch seien die Schäden. „Wegen massiver Probleme mit dem Kanalsystem stehen an den Straßenrändern in regelmäßigen Abständen Dixi-Klos“, berichtete der Gemeindebrandinspektor aus Hiddenhausen weiter. Die Versorgung der Bevölkerung mit Brauch- und Trinkwasser werde im Übrigen mit Tankcontainern, sogenannten IBC-Behältern, sichergestellt. Natürlich seien auch Arztpraxen und Apotheken von der Katastrophe betroffen. „Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist deshalb ebenfalls ein großes Problem. Dazu kommen die Umweltschäden durch beschädigte Heizöltanks und auslaufende Gefahrstoffe. Und noch immer werden 69 Menschen (Stand: 30.07.2021) vermisst.“ Doch es gibt auch positive Nachrichten: An vielen Stellen im Ahrtal ist die Stromversorgung wiederhergestellt. Währenddessen haben Experten der THW-Fachgruppe Brückenbau in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine 50 Meter lange und 150 Tonnen schwere „Krupp-D-Brücke“ fertiggestellt, die sogar vom Schwerlastverkehr befahren werden darf. Mindestens vier weitere Behelfsbrücken sind im Kreis Ahrweiler geplant.
Das vom THW aufbereitete Trinkwasser wird mit 15.000 Liter fassenden Transporttanks der Feuerwehr Mülheim/Ruhr in die verwüsteten Ortschaften gebracht. (Foto: Michael Lülf, BF Mülheim/Ruhr)
Experten der THW-Fachgruppe Brückenbau sind in Bad Neuenahr-Ahrweiler im Einsatz. Sie errichten dort, wo einmal die Landgrafenbrücke stand, eine 150 Tonnen schwere Behelfsüberführung. (Foto: THW/Lukas Hannig)
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist durch die zerstörte Infrastruktur ebenfalls ein Problem. Rettungshubschrauber stehen für die schnelle Hilfe aus der Luft bereit. (Foto: Thomas Prüßmeier, Vlotho/MoFüSt OWL)
In der Bundesakademie laufen alle Fäden zusammen.
Das gesamte Einsatzgeschehen wird von der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die ihren Sitz - wie es der Zufall will - mitten im Katastrophengebiet hat, gelenkt. Die BABZ ist eigentlich die Aus- und Fortbildungseinrichtung des Bundes im Bevölkerungsschutz. Aufgrund ihrer topografischen Lage ist sie nicht unmittelbar von der Flutkatastrophe betroffen, sodass dem Kreis Ahrweiler und dem Land Rheinland-Pfalz von dort sofort die volle Unterstützung zugesagt wurde. Auf dem Gelände befinden sich nun die Technische Einsatzleitung (TEL), der Verwaltungsstab und die Führungsstellen von Feuerwehr, THW, Hilfsorganisationen, Polizei und Bundeswehr.
Die Kräfte aus OWL hatten am Montagmorgen (26.07.2021) die Aufgaben des Sachgebietes S 1 (Personal) von den Kameraden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg (NRW) übernommen. „Die Anforderung/Alarmierung von Einsatzkräften, das Festlegen und organisieren von Bereitstellungsräumen, Heranführen von Einheiten sowie Führen von Kräfteübersichten gehörte in den folgenden Tagen zu unseren Tätigkeiten“, erläuterte Bernd Gante. Dafür seien die Technik der Akademie und eine Reihe von Einsatzleitwagen 2 genutzt worden. Gearbeitet wurde im Zweischichtsystem von 8.00 Uhr morgens bis 20.00 Uhr abends bzw. 20.00 Uhr abends bis 8.00 Uhr morgens. „Die Nachtschicht war aber mit deutlich weniger Personal besetzt.“
Gante sprach von einer großen Herausforderung. „Normalerweise arbeiten ein bis drei Leute im Sachgebiet 1 - in Ahrweiler waren es aufgrund der großen Schadenslage 30 Personen.“ Die übrigen Sachgebiete seien mit Führungskräften aus Baden-Württemberg (S 2 Lage), München (S 3 Einsatz) und Niedersachsen (S 4 Versorgung) besetzt gewesen. „Und in jedem Bundesland gibt es halt etwas unterschiedliche Strukturen und Arbeitsweisen!“
Erfahrene Feuerwehrleute aus OWL, darunter drei Ehrenamtliche aus dem Kreis Herford, unterstützen den Führungsstab im Katastrophengebiet. (Foto: Thomas Prüßmeier, Vlotho/MoFüSt OWL)
In der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ) laufen alle Fäden zusammen: Hier haben die Technische Einsatzleitung und der Verwaltungsstab Quartier bezogen. (aktuelles Luftbild: Polizei Rheinland-Pfalz)
Thomas Prüßmeier (Vlotho): „Wer hätte gedacht, dass wir von der Akademie in Ahrweiler aus einmal eine reale Schadenslage bearbeiten müssen?“
Thomas Prüßmeier wirkte nachdenklich: Vor 20 Jahren habe er zum ersten Mal eine Schulung an der Katastrophenschutzschule in Bad Neuenahr-Ahrweiler besucht; damals noch gemeinsam mit Kreisbrandmeister Dieter Wilkening und Kreisordnungsamtsleiter Hans-Walter Hartogs. „Wer hätte gedacht, dass wir einmal eine reale Schadenslage von dort aus bearbeiten müssen?“ Gut, dass es die Mobile Führungsunterstützung gebe; und gut, dass im Kreis Herford auch regelmäßig der Stab bzw. die Kreiseinsatzleitung alarmiert werde, um diese Struktur zu erhalten, meinte der Stadtbrandinspektor aus Vlotho. „In Rheinland-Pfalz schien dieses System noch nicht so bekannt zu sein!“
Am Donnerstagmorgen endete der Einsatz für das „Unterstützungskommando“ aus OWL. Um punkt 8.00 Uhr übernahmen Kameraden der MoFüSt Münster das Sachgebiet 1. (Redaktion: kfv-herford.de)
-Vo-