Neues Gerät an der Kreisfeuerwehrzentrale vorgestellt
Hiddenhausen-Eilshausen/Kreis Herford. AB DekonV: Hinter diesem Kürzel verbirgt sich ein Abrollbehälter, der bei einem Chemieunfall oder gar Giftgasanschlag zur Dekontamination, also Entgiftung, von Verletzten zum Einsatz kommt. Der knapp sechs Meter lange Container, er wird von einem 26-Tonner „Huckepack“ zur Einsatzstelle gefahren, gehört neben einem Messfahrzeug, dem so genannten ABC-Erkunder (ABC = atomare, biologische und chemische Gefahren), zur neuesten Ausrüstung, die bei der Feuerwehr Herford stationiert ist. Die Investitionskosten in Höhe von rund 470.000 Euro wurden vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen, das damit den Bevölkerungsschutz weiter stärkt. Am Wochenende (23.11.2013) präsentierten die Gefahrstoffexperten der Feuerwehr Herford das neue Gerät an der Kreisfeuerwehrzentrale in Hiddenhausen-Eilshausen.
Herfords Feuerwehrchef Michael Stiegelmeier erinnerte während der Vorführung an den Giftgasanschlag in der U-Bahn der japanischen Millionenmetropole Tokio, der sich im Jahr 1995 ereignet hatte. „Solche und ähnliche Katastrophen stellen die Helfer vor eine große Herausforderung!“ Eine Vielzahl von verletzten Menschen, die mit den gefährlichen Stoffen in Berührung gekommen seien, müssten dann so schnell wie möglich dekontaminiert werden, bevor mit der eigentlichen medizinischen Versorgung begonnen werden könne. Für solche „Höllenszenarien“ ist der neue Abrollbehälter DekonV (Dekontamination von Verletzten), anders als die Ausrüstung des alten Dekon-LKW P (Dekontaminations-Lastkraftwagen Personen), der ebenfalls bei der Feuerwehr Herford stationiert ist, konzipiert. Bis zu 50 Verletzte können in der Anlage, die mit ihren beiden Zelten rund 400 Quadratmeter an Platz benötigt, behandelt und einer entgiftenden Reinigung unterzogen werden. 60 Einsatzkräfte – Ärzte, Rettungsassistenten und Dekontaminationshelfer – würden dann benötigt. Michael Stiegelmeier hat für einen solchen Fall bereits Kontakte zur Feuerwehr Löhne und dem Roten Kreuz geknüpft. Sie seien in das Konzept mit eingebunden. Außerdem setzt der Wehrführer auf das Wissen von Oliver Stratmann, den der Wehrführer als neuen Fachberater Chemie vorstellte. Stratmann ist im Hauptberuf Gefahrstoffmanager beim Hiddenhausener Lackspezialisten Peter-Lacke.
Präsentation des Abrollbehälters DekonV und Messfahrzeugs „Erkunder“:
Herfords Feuerwehrchef Michael Stiegelmeier (r) ist mit der ABC-Einheit zur Kreisfeuerwehrzentrale gekommen.
Der Aufbau der DekonV-Anlage lässt sich wie folgt beschreiben: Zunächst geht es für die Unglücksopfer in den „Schwarzbereich“, einem luftgestützten Zelt, das seitlich an den geöffneten Container anschließt. Hier werden die Verletzten entkleidet, ihre Wunden desinfiziert und notdürftig abgeklebt. Danach folgt die Lagerung auf Rettungsbrettern, von den Fachleuten Spineboards genannt, mit denen die Patienten auf einer Rollenbahn in den Container geschoben werden. Hier befinden sich die eigentlichen Desinfektionsduschen. Nach der „Kopf bis Fußreinigung“ mit spezieller Dekonseife landen die Verletzten im „Weißbereich“, einem ebenfalls luftgestützten Zelt, das auf der gegenüberliegenden Containerseite angebaut ist. Notärzte übernehmen hier im Ernstfall alle weiteren Maßnahmen. Sie reichen bis zur Ausstellung der Patientenanhängekarten, auf denen die Mediziner die Verletzungen mit Schweregraden vermerken. „Wir arbeiten mit dem DekonV quasi autark“, erläuterte Maik Balke, Zugführer der ABC-Einheit Herford. Es gebe einen Durchlauferhitzer für den Betrieb der Dekonduschen, Gebläse zum Heizen und Lüften der Zelte und einen leistungsstarken Stromerzeuger, mit dem ein „Powermoon“ betrieben werden könne, der zum Ausleuchten der Einsatzstelle diene. Das Personal im „Schwarzbereich“, so Balke, sei außerdem zum Eigenschutz mit Gebläsefilteranzügen ausgerüstet, die per Akkuantrieb ständig unter Überdruck ständen. Insgesamt 25 solcher Anzüge, an die jeweils zwei Partikelfilter angeschlossen würden, gebe es.
Für den Wechsellader samt aufgesatteltem DekonV-Container wird zurzeit an der Feuerwache Herford eigens eine Halle gebaut. Das Auto komme künftig vorwiegend bei Gefahrstofflagen ab Stufe 2 mit sechs Feuerwehrleuten zum Einsatz, schilderte Feuerwehrchef Stiegelmeier. Dann werde man für die Dekontamination der Einsatzkräfte sorgen, die in Chemikalienschutzanzügen (CSA) vorgegangen seien. Der Container sei für solche Lagen innerhalb weniger Minuten einsatzbereit, da, anders als bei einer Großschadenslage mit vielen Verletzten, die Zelte nicht aufgebaut werden müssten.
Als wahres Hightechfahrzeug entpuppte sich der ABC-Erkunder, mit dem giftige Gase, aber auch radioaktive Strahler bereits während der Fahrt aufgespürt werden können. Der Mercedes Sprinter (192 PS, Allradfahrgestell) im Wert von rund 200.000 Euro ist dazu mit modernsten Messgeräten ausgestattet. „Eingebaut sind ein Dosisleistungsmessgerät für den Strahlenschutz und ein Photoionisationsdetektor zur Analyse von chemischen Verbindungen in der Umgebungsluft“, erläuterte Sven Büttner, stellvertretender Leiter der ABC-Einheit. Ein echtes Wundergerät, so Büttner, sei außerdem der Ionenmobilitätsspektrometer (IOM), der in der angesaugten Luft giftige Stoffe wie Chlor, Schwefeldioxid und Blausäure erkenne und dazu auf eine Datenbank zurückgreife. Mit GPS-Unterstützung würden die Messergebnisse anschließend auf einer elektronischen Karte grafisch dargestellt und per Digitalfunk an die Messleitkomponente übermittelt. „Der Absperrbereich lässt sich so bei einem Chemieunfall genau eingrenzen!“
„Für den DekonV und ABC-Erkunder ist viel Fachwissen erforderlich!“ Diesen Worten, die Kreisbrandmeister Wolfgang Hackländer sagte, kann man angesichts der geballten Technik, die an der Kreisfeuerwehrzentrale vorgestellt wurde, nur zustimmen.
Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)
Innenansicht des „Schwarzbereichs“: Hier werden offene Wunden zunächst notdürftig versorgt und desinfiziert.
Das entsprechende Material wird in großen Kisten bereitgehalten.
Anschließend geht es für die Patienten auf einer Rollenbahn unter die Dekondusche. Die Reinigung erfolgt mit spezieller Dekonseife,
die mit klarem Wasser abgespült wird. In diesem Bereich sind im Ernstfall mindestens drei Helfer im Einsatz. Durch einen Vorhang
hindurch erfolgt der Weitertransport in den „Weißbereich“, wo Notärzte die Behandlung übernehmen.
Maik Balke erläutert die Funktionsweise eines Gebläsefilteranzugs, der für das Personal im „Schwarzbereich“ Pflicht ist. Er wird mit
zwei Partikelfiltern versehen. Die Akkuladung für die Überdruckbelüftung reicht für rund vier Stunden.
Die Dekontaminationsanlage kann autark betrieben werden: Am Heck befinden sich der Durchlauferhitzer
für die Dekonduschen (r) und die Akkuladestationen für die Gebläsefilteranzüge.
Es gibt Zeltgebläse zum Heizen und Lüften sowie …
… einen „Powermoon“ zur Beleuchtung der Einsatzstelle.
Für den kompletten Aufbau werden rund 400 Quadratmeter benötigt.
(v.l.) Fachberater Oliver Stratmann, Lars Krohn und Maik Balke demonstrieren die Abläufe im DekonV-Container.
Für den Transport des Abrollbehälters wurde bei der Feuerwehr Herford ein Wechselladerfahrzeug
(Typ WLF 26-Kran, Aufbau Meindl) in Dienst gestellt.
Der Dekon-LKW P, ein Fahrzeug, das vom Bund im Rahmen des Katastrophenschutzes beschafft wurde,
kommt künftig zur Unterstützung des DekonV50-Konzeptes zum Einsatz.
Mit dem neuen ABC-Erkunder (Mercedes Sprinter, Allrad, 192 PS) lassen sich gefährliche Stoffe
bereits während der Fahrt aufspüren. Dazu wird ständig Außenluft angesaugt.
(v.l.) Digitale Straßenkarte per GPS-Unterstützung, Computerauswertung der Messergebnisse,
Dosisleistungsmessgerät, Photoionisationsdetektor u. Ionenmobilitätsspektrometer (IMS)
Im Fahrzeugheck ist weiteres Material, darunter vier Gebläseschutzanzüge, untergebracht, zeigt Sven Büttner.
Pascal Pörtner (l) u. Thiemo Brennenstuhl (r) an den Analyse- und Funkarbeitsplätzen im „Erkunder“
Sven Büttner (l) zeigt die umfangreiche Messtechnik des „Spürfahrzeugs“.
Er demonstriert unter anderem ein Dosisleistungsmessgerät.