Elbehochwasser: Hilfe für den Salzlandkreis

Einsatz der 2. Bereitschaft Herford Minden-Lübbecke der Bezirksreserve Detmold
(Situationsbericht zu den Ereignissen vom 7. bis 9.06.2013, Hinweis: Am 12.06.2013 aktualisiert)

Nach tagelangen Regenfällen, teilweise kamen in nur 90 Stunden bis zu 400 Liter Wasser auf den Quadratmeter zusammen, kommt es in Teilen Süddeutschlands und den Regionen an der Elbe zu katastrophalen Überschwemmungen. Im Kampf gegen das Hochwasser werden bundesweit alleine mehr als 75.000 Einsatzkräfte der Feuerwehr eingesetzt, meldet der Deutsche Feuerwehrverband (DFV). Die 2. Feuerwehrbereitschaft der Bezirksreserve Detmold wird am Freitag (7.06.2013) auf einen möglichen Einsatz in Sachsen-Anhalt vorbereitet.  Am Samstagmorgen kommt schließlich der Marschbefehl über die Führungsleitstelle bei der Berufsfeuerwehr Bielefeld: In Schönebeck im Salzlandkreis drohen die Deiche der Elbe zu brechen. Die Menschen dort brauchen dringend Hilfe.

 

Die Chronologie der Ereignisse.

(Freitag, 7.06.2013)

Es ist kurz nach 11 Uhr. An der Kreisfeuerwehrzentrale in Hiddenhausen-Eilshausen wird der dreiachsige Wechsellader-LKW beladen. Tauchpumpen, Saugschläuche, zwei Rettungsboote und jede Menge Reservekanister müssen mitgenommen werden. Die Feuerwehrleute erwarten stündlich das Alarmfax der Bezirksregierung.

(Samstag, 8.06.2013)

Der Marschbefehl liegt vor. Für die 60 Einsatzkräfte aus allen Wehren im Kreisgebiet geht es nach Schönebeck an der Elbe bei Magdeburg. Gegen Mittag machen sich die Einheiten von der  Feuerwehrzentrale aus auf den Weg. Um 12.55 Uhr formiert sich der komplette Verband auf Kanzlers Weide in Minden. Insgesamt wurden 143 Einsatzkräfte mobilisiert, die um 13.25 Uhr mit 30 Einsatzfahrzeugen ausrücken.  Die Fahrzeugkolonne kommt über die B 65 zügig Richtung Stadthagen voran. Einsatzkräfte aus dem Landkreis Schaumburg werden extra alarmiert, um die Zufahrtsstraßen zur Bundesstraße abzusperren, sodass der Verband in einem Rutsch bis zur Autobahn-Anschlussstelle Bad Nenndorf durchfahren kann. Bereitschaftsführer Bernd Kröger (Spenge) lobt die gute Zusammenarbeit mit den Schaumburger Wehren.
Gegen 15 Uhr erreicht den Verband eine beunruhigende Meldung: Im Einsatzgebiet Schönebeck, südlich von Magdeburg, soll ein Damm gebrochen sein. Das Wasser ströme nun in die Altstadt, heißt es in der Meldung, die Bernd Kröger telefonisch erreicht. Der Durchbruch soll sich um 14.30 Uhr ereignet haben. Der Bereitschaftsführer lässt daraufhin die Marschgeschwindigkeit auf das Maximum von 70 Stundenkilometer erhöhen.
Es ist 16.45 Uhr: Der Verband legt einen technischen Halt in Helmstedt-Marienborn ein. „Aufgrund der dramatischen Situation in Schönebeck, kann es sein, dass wir dort sofort in den Einsatz geschickt werden“, sagt Kröger. Er lässt deshalb die Einsatzbereitschaft bereits auf dem Autobahnparkplatz herstellen. Alle Fahrzeuge werden aufgetankt.
Um 18.45 Uhr erreicht der Verband Schönebeck. Die Helfer werden von einem Lotsenfahrzeug in Empfang genommen. Es geht zunächst zur Unterkunft, der Grund- und Sekundarschule „Am Lerchenfeld“, die in einer Plattenbausiedlung mitten in Schönebeck liegt. 800 Einsatzkräfte sind hier einquartiert. Die Bereitschaften 3. (Lippe/Detmold) und 4. (Paderborn/Höxter) sind bereits seit gestern vor Ort. Jetzt kommen die Bereitschaften 1. und 2.  aus Bielefeld und Herford Minden-Lübbecke hinzu. DLRG-Verbände sind aus der gesamten Republik mit Booten angerückt, darunter Einheiten aus dem Allgäu und aus Bremen. Hinzu kommen unzählige Helfer des DRK und der Johanniter-Unfallhilfe sowie Soldaten der Bundeswehr.
Im Stabsraum der Abteilungsführung Detmold, sie ist mit Beamten der Berufsfeuerwehr Minden besetzt, bekommen Bereitschaftsführer Bernd Kröger und seine Zugführer eine erste Lageeinweisung. Die Elbeflut habe ein erschreckendes Ausmaß angenommen, heißt es von Lutz Kölling, dem Leiter der Abteilungsführung. Es gibt insgesamt fünf Einsatzabschnitte.
Im Abschnitt 2. (Wilhelm-Hellge-Straße) sei es um 13.50 Uhr auf 10 Meter Länge zu einem Deichdurchbruch gekommen, der schwer zu stoppen sei,  berichtet Michael Schäfer, Sachgebietsleiter im Stab. Dramatisch sei die Situation im Übrigen im Abschnitt 3. (Amtsbreite Elbtor). Hier sei eine 1,50 Meter hohe Spundwand teilweise eingestürzt. Das Wasser ströme nun in die Altstadt. Bereits gestern habe es eine „freiwillige Evakuierungsaktion“ gegeben. Der Einsatzabschnitt 4. stehe ebenfalls bereits großflächig unter Wasser, sagt Lutz Kölling. „Hier versuchen Bundeswehr,  THW und Feuerwehr gemeinsam, die Situation in den Griff zu bekommen.“ Der Einsatzabschnitt 5 im Ortsteil Frohse, heißt es von der Abteilungsführung, sei vorübergehend aufgegeben worden. Ob das örtliche Krankenhaus evakuiert werden müsse, sei noch nicht sicher. Wenn es dazu kommen sollte, so Kölling, dann würden viele Trägerkolonnen benötigt.

Sonntag (9.06.2013)
 
Während der Nachtstunden ist an Schlaf kaum zu denken. Die Züge 23. und 24. (Minden-Lübbecke) werden sofort in das Einsatzgeschehen eingebunden. Sie müssen im Abschnitt 3. Wasser abpumpen, das aus dem Boden hoch drückt. Um 3.40 Uhr morgens werden die Züge 21. und 22. (Herford) in Marsch gesetzt. Sie müssen im Abschnitt 4. (Alte Fähre) gemeinsam mit Einsatzkräften aus Bielefeld einen aufgeweichten Deich  sichern. Bundeswehrsoldaten des Aufklärungs-Bataillons 6. aus Eutin, THW und DLRG sind bereits vor Ort. Die 100 Einsatzkräfte sind in einer langen Reihe angetreten. Das Wasser schwappt an einigen Stellen bereits über die Deichkrone. Sandsack für Sandsack wird an die betroffenen Stellen herangetragen. Die Bundesstraße 246a führt an dieser Stelle über eine Brücke und versinkt kurz danach im Elbewasser. Die Soldaten unter Leitung von Hauptmann Stegemann haben zur Sicherheit eine Handsirene aufgestellt, um die Helfer bei einem Deichdurchbruch rechtzeitig warnen zu können. Am Nachmittag verschärft sich die Situation. Per Blitznachricht wird Verstärkung in den Abschnitt 3. gerufen. Dort drohen erneut mehrere Durchbrüche.
Im Abschnitt 1., er trägt die Bezeichnung „Sack und Sand“, sind am Sonntag fast 200 freiwillige Helfer im Einsatz. Sie füllen Sandsäcke. Tausende liegen bereits auf dem Platz des örtlichen Busbahnhofs und werden mit gut einem Dutzend Gabelstaplern auf  die Einsatzfahrzeuge und Lastwagen des städtischen Bauhofs verladen. Der Zusammenhalt der Menschen ist beeindruckend. Ein junges Pärchen aus Hannover erkundigt sich gerade am Einsatzleitwagen der Kreisfeuerwehrzentrale, der im Bereitstellungsraum steht: „Wo geht es denn hier zum Sandsackfüllen!“. Das Gegenteil einer „kalten Ellenbogengesellschaft“ zeigt sich in einem solchen Augenblick. Das Material für die Sandsackbefüllungsmaschine der Feuerwehr Ratingen, mit der sich acht Säcke gleichzeitig befüllen lassen, wird von Baustoffhändlern herangeschafft.
 
Wann sich die Situation in Schönebeck stabilisiert und die ersten Einsatzkräfte abgezogen werden können, kann im Augenblick noch niemand sagen.

Von Jens Vogelsang (aus Schönebeck)
(Text u. Fotos)

 


Beladung des WLF an der Kreisfeuerwehrzentrale
 

„Zum Abmarsch bereit!“
 

Die Züge 21. bis 24. haben sich auf den Weg nach Sachsen-Anhalt gemacht.
 

Feuerwehrleute sperren im Schaumburger Land die Seitenstraßen der B 65, damit der Verband freie Fahrt hat.
 

Der Bereitstellungsraum „Schwarzer Weg“ in Schönebeck ist erreicht.


Stützpunkt der Helfer: Das Schulgebäude an der Berliner Straße. Hier ist auch die Abteilungsführung untergebracht.

 


Der ELW 2 aus dem Kreis Minden-Lübbecke dient als Funkzentrale für die Technische Einsatzleitung.


Erste Lageeinweisung im Stabsraum.

 

 


Die Lagekarte mit den Einsatzabschnitten im Hochwassergebiet.


Die Situation ist unübersichtlich: (v.l.) Klaus Obermann, Chef der Informations- u.
     Kommunikationsgruppe aus Bünde, Norbert Evering (stellv. Verbandsführer, Spenge) u.
     Verbandsführer Bernd Kröger.


Ruheraum für die Mannschaften der Züge 21. u. 22. aus dem Kreis Herford.


Eine Bereitschaft der DLRG genießt die freie Zeit bis zum nächsten Einsatz.


Bernd Kröger begutachtet die schadhaften Deichstellen im Abschnitt 4. (Alte Fähre,
     Überführung B 246a). Die Deichkrone ist völlig aufgeweicht.


Sandsackverladung an der „Alten Fähre“

 

 


Auf dem Gelände sind überall Sandsackverbauungen zu finden, um den Damm zu stabilisieren.


Gegen 6 Uhr morgens beginnen die Ausbesserungsarbeiten.


Das Material wird wasserseitig mit Schlauchbooten herbeigeschafft.


Anlegen eines Sandsackdepots


Die Bundeswehr hat zur Sicherheit eine Handsirene aufgestellt.


Blick von der Elbebrücke auf Schönebeck.


Die Uferpromenade von Schönebeck am 9. Juni 2013.

 
Die Altstadt steht allerdings nur zum Teil unter Wasser.


Es gibt Spundwände, mit denen einige Straßenzüge trocken gehalten werden können.

 

 

 


Das THW setzt Hochleistungspumpen ein.


Die Züge 23. u. 24. (Minden-Lübbecke) pumpen das hoch drückende Wasser zurück in die Elbe.


Völlig übermüdeter u. erschöpfter Feuerwehrmann im Einsatzabschnitt 3.


An der Station „Sack u. Sand“ liegen tausende Jute- u. Plastiksäcke zur Verladung bereit.


Fast 200 Freiwillige helfen mit.


Ein Baustoffhändler liefert Sandnachschub.


Sandsackfüllmaschine der Feuerwehr Ratingen.

Es gibt drei Berichte zum Elbehochwasser:
1. Bericht: (07. - 09.06.2013) - Elbehochwasser: Hilfe für den Salzlandkreis (dieser Bericht / aktuelle Seite)
2. Bericht: (10.06.2013) - Elbehochwasser: Mit Sack und Sand gegen die Wassermassen!
3. Bericht: (11 - 12.06-2013) - Elbehochwasser: Schönebeck sagt danke!