Quantensprung in der Funktechnik

Digitalfunk soll im Kreis Herford 2013 beginnen

beispiele_hrtSprechfunkgeräte sind bei der Feuerwehr seit jeher wichtige Kommunikationsmittel. Jedes Einsatzfahrzeug ist damit ausgerüstet. Kein Feuerwehrmann betritt eine brennende Wohnung, ohne ein solches Gerät in der Tasche zu haben; denn nur so bleibt der Kontakt zur „Außenwelt“ erhalten - kann im Notfall schnell Verstärkung gerufen werden. Die bisher  eingesetzte analoge Funktechnik ist allerdings veraltet. Im kommenden Jahr soll bei der Feuerwehr im Kreis Herford das digitale Zeitalter im Sprechfunkverkehr beginnen. Ab Sommer 2013 ist zunächst ein erweiterter Probebetrieb geplant.

TETRA heißt das Zauberwort. Diese Abkürzung steht für Terrestrial Trunked Radio. Künftig wird nämlich ein professionelles Mobilfunksystem nach dem so genannten TETRA 25-Standard die herkömmliche Funktechnik ersetzten. Feuerwehrmann Hans könnte dann von der Nordseeküste aus mit Feuerwehrfrau Rosi in Bayern ein Funkgespräch führen. "Technisch wäre das ohne weiteres möglich", sagt Michael Stiegelmeier, Leiter der Feuerwehr Herford. "Praktisch würde ein solches Gespräch allerdings an den dafür notwendigen Berechtigungen scheitern!" Stiegelmeier gehört zur Arbeitsgruppe zur Einführung des Digitalfunks im nichtpolizeilichen Bereich - kurz ARDINI genannt. Doch die bundesweite Kommunikationsmöglichkeit ist nur ein Grund für die Einführung des Digitalfunks. "Zu den weiteren Vorzügen des Systems zählen die verbesserte Sprachqualität, die Möglichkeit der Datenübertragung und die Abhörsicherheit", erläutert Stiegelmeier. "Der gesprochene Satz wird quasi zerlegt und nur die Sprechmuster als digitale Kennziffern an das nächste Funkgerät übertragen." Nebengeräusche fallen dabei "unter den Tisch", da sie keinem Sprechmuster zugeordnet werden können. Mit der neuen Technologie können außerdem mehrere Funkgespräche gebündelt und über einen Funkkanal übertragen werden. "Das schafft freie Kapazitäten!", meint Stiegelmeier. Zuletzt gab es im Januar 2007 starke Störungen im Funknetz der Feuerwehr. Damals wütete Orkan "Kyrill" über Deutschland. Hunderte Notrufe erreichten die Kreisleitstelle in Hiddenhausen-Eilshausen. Innerhalb kürzester Zeit war die gesamte Technik überlastet.

Zukünftig werden die Funkgespräche auf einer Funkfrequenz zeitversetzt gesendet und empfangen. Der alte Analogfunk bietet der Feuerwehr auf einer Bandbreite von 100 Kilohertz fünf Kanäle - nicht mehr und nicht weniger. Beim digitalen Bündelfunk ergeben sich auf der gleichen Bandbreite vier Kanäle. Jeder Kanal transportiert die Sprachnachrichten allerdings versetzt in vier Zeitschlitzen. So werden aus den fünf Kanälen im analogen System 16 logische Sprachkanäle beim Digitalfunk. Bei einer mittleren Auslastung des Systems wird im Übrigen mit einer drei- bis vierfachen Nutzung jedes logisches Sprachkanals kalkuliert, da nicht alle Gruppen in einer Funkzelle zeitgleich Funkgespräche führen werden.

Dem Begriff "Gruppe" kommt dabei im digitalen Funkzeitalter eine völlig neue Bedeutung zu. Bisher unterhalten die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) jeweils eine eigene Netzinfrastruktur mit Relaisstellen und zugeteilten Funkkanälen. So läuft der Sprechfunkverkehr der Feuerwehr im Kreis Herford momentan noch über den Kanal 465 (86,375 MHZ). Künftig nutzen alle Teilnehmer der BOS das gleiche digitale TETRA-Funknetz im 70cm-Band. Dazu werden Sprechgruppen gebildet, denen bestimmte Netzkapazitäten zur Verfügung stehen. So wird die Benutzergruppe Feuerwehr genauso im neuen System integriert, wie beispielsweise die Benutzergruppe Polizei oder die Benutzergruppe Technisches-Hilfswerk. Ein Hin- und Herstellen von Funkkanälen gibt es künftig nicht mehr. Wird die Sprechtaste gedrückt, so sucht das digitale Funkgerät automatisch einen freien (logischen) Sprachkanal. Mit der Einführung der neuen Technik wird es also nur noch einen Wechsel zwischen den verschiedenen Benutzergruppen geben. Bis zu 100.000 solcher Gruppen können übrigens bundesweit definiert werden. Kommt es zu einem Großschadensfall, so können sogar für jeden Einsatzabschnitt separate Gesprächsgruppen gebildet werden. Der Großeinsatz kann so ungestört vom übrigen Funkverkehr abgearbeitet werden. Die Geräte der Wehrleute erhalten dabei durch einen Fernsteuerbefehl des Leitstellenrechners alle Informationen zur (Funk-)Gruppenbildung. Der Disponent in der Kreisleitstelle veranlasst die dazu nötigen Schritte. "Dadurch erhöht sich die Betriebssicherheit, da ein umständliches Umschalten der Geräte durch die Einsatzkräfte entfällt", sagt Michael Stiegelmeier. Außerdem könnten nachrückende überörtliche Kräfte ohne zeitraubende Funkgespräche automatisch in die richtigen (Funk-)Einsatzabschnitte zugewiesen werden.

Die alten Funkgeräte werden nach und nach durch neue MRTs (Mobil Radio Terminals) für die Einsatzfahrzeuge ersetzt. Außerdem gibt es in Zukunft HRTs (Handheld Radio Terminals), die für den Gebrauch an der Einsatzstelle gedacht sind und damit die analogen 2-Meter-Handsprechfunkgeräte ersetzen. Die Bedienoberflächen der neuen Geräte entsprechen weitgehend der üblichen Gestaltung von Mobilfunktelefonen. Ergänzend gibt es den Gruppenwahlschalter. Auch festgelegte Statusmeldungen zur Übermittlung von Routinenachrichten sind mit den neuen Geräten möglich. Durch die Umstellung auf den Digitalfunk würden auf die Stadt Herford alles in allem Kosten von rund 120.000 Euro zukommen, so Stiegelmeiers Kalkulation. Die Gemeinde Hiddenhausen habe kürzlich die Beschaffung der ersten sechs digitalen Funkgeräte öffentlich ausgeschrieben, berichtet Amtskollege Werner Lohmeyer.

Zurzeit läuft der Aufbau der Infrastruktur für den flächendeckenden Netzbetrieb (TMO, Trunked Mode Operation) auf Hochtouren. Ganz Deutschland wird dazu mit einem Funkzellennetz überspannt. In jeder dieser Zellen wird eine Basisstation installiert, die auf eigenen Sende- und Empfangsfrequenzen arbeitet. Die Basisstationen in der Region sind mit der Vermittlungsstelle (DXT) in Detmold verbunden. Hier sind die Benutzerprofile, also die Gruppenmitgliedschaften und Rufrechte für jeden Teilnehmer, in einer "Heimatdatenbank" gespeichert. Für den Aufbau und den späteren Betrieb des Netzes wurde eigens die Bundesanstalt für den Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) gegründet. Die neuen digitalen Handsprechfunkgeräte sind auch im Direktmodus (DMO) - also ohne Netz - einsetzbar. Ein Verstärker (DMO-Repeater) vergrößert dann die Reichweiten der Funkgeräte. Die Berufsfeuerwehr Köln platzierte jüngst einen solchen Repeater bei einer Großveranstaltung auf dem Dom, so ein Dozent am Institut der Feuerwehr in Münster. Die Wehrleute hätten auf diese Weise bereits in der gesamten Altstadt digitalen Funkempfang gehabt.

Und noch etwas ist neu: Im Digitalfunknetz muss aus technischen Gründen jedes Funkgerät eine bundesweit eindeutige Operativ-Taktische-Adresse (OPTA) führen, sagt Bernd Kirchhoff, Leiter der Kreisleitstelle Herford. Sie ersetzt quasi die bisherigen Funkrufnamen im 4-Meter- und 2-Meter-Band. Die OPTA enthält Zeichen für das Bundesland, die Organisation, die Stadt oder Gemeinde, die Fahrzeugart sowie die Ordnungskennung; bis zu 24 Stellen sind möglich. Die neuen Funkrufnamen werden im praktischen Sprechfunkverkehr allerdings verkürzt gesprochen, da die vollständige OPTA automatisch von Endgerät zu Endgerät übertragen wird. Trägt das Hilfeleistungslöschfahrzeug der Feuerwehr Hiddenhausen bisher noch den Funkrufnamen "Florian Herford 4/43/1", so ist die Besatzung künftig unter dem "Kürzel" "Florian Hiddenhausen, HLF 20, 1" zu erreichen. Mit der Umstellung der Funkrufnamen soll bereits kurzfristig begonnen werden, so die Information von Bernd Kirchhoff.

Die Projektarbeit für das bundesweit einheitliche digitale Bündelfunksystem reicht bis in das Jahr 1990 zurück. Im Schengener Durchführungsabkommen verpflichtete sich die Bundesrepublik dazu, mit dem Wegfall der Grenzkontrollen ein modernes Kommunikationssystem aufzubauen. Momentan läuft bereits der erweitere Probebetrieb im Großraum Düsseldorf.

Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

 

 

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Die bisherigen Handsprechfunkgeräte (HFuG) werden künftig durch
digitale HRTs (Handheld Radio Terminals) ersetzt.

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Herkömmliches Vielkanal-Handsprechfunkgerät (HFuG 11b)
mit Maskensprechgarnitur für den Direktfunkbetrieb

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Analoges Fahrzeugfunkgerät (FFuG 8) mit FMS-Statustasten-Hörer

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Das Bild zeigt eine Auswahl digitaler Handsprechfunkgeräte (HFuG).

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Sämtliche Fahrzeuge, wie der ELW 1 Enger und …

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der ELW 2 des Kreises Herford (Standort Bünde) müssen nach u. nach umgerüstet werden.

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Funkarbeitsplatz im ELW 1 Spenge.