Ökologische Gasproduktion birgt Brand- und Explosionsgefahr

Verband der öffentlichen Versicherer warnt vor neuen Risiken in der Landwirtschaft
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Brennt es auf einem landwirtschaftlichen Anwesen, dann muss die Feuerwehr oftmals mit einem Großaufgebot anrücken, um die Flammen zu löschen und Schlimmeres zu verhindern. Hier sind die Brandlasten bekanntermaßen besonders groß. In der Vergangenheit wurden solche Unglücke vielfach durch Fehler in der Elektroinstallation, Selbstentzündung von Heu oder Brandstiftung ausgelöst. Doch durch die Energiewende sind neue Gefahrenquellen in der Landwirtschaft hinzugekommen. Darauf weist der Verband öffentlicher Versicherer jetzt hin. Die Stichworte lauten: Photovoltaik, Biogas und Blockheizkraftwerke.

 

Landwirtschaft heißt Ackerbau und Viehzucht. Diese Aussage stimmt zugegebenermaßen  nicht mehr so ganz. Viele Landwirte haben mittlerweile eine neue lukrative Einnahmequelle erschlossen: Sie betreiben als „Energiewirte“ Photovoltaikanlagen und Biogasanlagen in Kombination mit Blockheizkraftwerken. Das Erneuerbare Energiengesetz und die damit verbundene Subventionspolitik hat in den letzten Jahren geradezu einen Boom beim Bau solcher Anlagen ausgelöst. Nach Angaben der Solarwirtschaft waren in Deutschland Ende 2011 rund 1.090.000  Photovoltaikanlagen am Netz. Fast 220.000 Anlagen sollen Schätzungen zur Folge auf  landwirtschaftlichen Gebäuden vorhanden sein. Die großen Dachflächen der Scheunen und Ställe eignen sich besonders gut für die Montage der Module und eine effektive Stromerzeugung aus Sonnenlicht. Eine ähnlich rasante Entwicklung hat der Bau von Biogasanlagen in den vergangenen Jahren genommen. Mittlerweile sind mehr als 7.000 Anlagen bundesweit in Betrieb.

Die Probleme bei Photovoltaikanlagen seien deutlich leichter zu beherrschen, als bei Biogasanlagen, schreibt ein Experte des Versicherungsverbandes. Eine Biogasanlage stelle eine „außerordentlich komplexe verfahrenstechnische Anlage“ dar. „Durch das Vorhandensein brennbarer und explosionsfähiger Gase besteht eine permanente potentielle Brand- und Explosionsgefahr“, heißt es in der Verbandszeitschrift (Ausgabe 3/2012). Hinzu käme, dass die Aggregate vorzugsweise ganzjährig ununterbrochen mit voller Leistung in Betrieb seien. Um den reibungslosen Betrieb zu gewährleisten, sei daher eine ständige intensive Betreuung erforderlich. „Wir wissen über die Risiken der Biogasproduktion einfach zu wenig“, meint Torsten Sievering, Leiter der Feuerwehr Vlotho. In der Weserstadt ist bisher eine Anlage angemeldet, die mit Gülle betrieben wird. Der Eigentümer habe aber auch eine Genehmigung, Speisereste zu verwenden, sagt Sievering.

Biogasanlagen dienen der Erzeugung von Biogas, das im Wesentlichen aus Methan besteht. Die ökologische Energie entsteht dabei durch die Vergärung (Fermentation) von Biomasse. In Deutschland ist die Nassvergärung vorherrschend, weil ein Großteil der Anlagen von Landwirten mit Viehzucht errichtet wurden, die meist tierische Exkremente aber auch Energiepflanzen, wie Mais und Getreide, als „Substrat“ zur Fermentation einsetzen. Das entstehende Gas wird oftmals vor Ort in einem Blockheizkraftwerk zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Biogas wird regelmäßig in Folienhauben über dem Fermenter (Gärbehälter) zwischengespeichert. Der Lagerdruck des Biogases ist allerdings gering. „Eine Gefährdung des Speichers durch Erwärmung mit dem Risiko eines Behälterzerknalls – wie etwa bei Flüssiggastanks oder Gasflaschen – bestehe nicht“, schreibt der Fachverband Biogas e.V. in seinem Merkblatt für den Brandschutz.

In den letzten Jahren ist es bereits zu zahlreichen Unfällen durch Biogasanlagen gekommen. Der Verband der öffentlichen Versicherer spricht von 37 Fällen seit dem Jahr 2010. Es habe sich um Brände, Verpuffungen und Explosionen gehandelt. Häufig seien der Austritt von  brennbaren Gasen oder Kraftstoffen hierfür die Ursachen gewesen. Als weitere Schadensquelle werden die Motoren in den Blockheizkraftwerken genannt, die zum Teil durch schlechte Wartung in Flammen aufgegangen sein sollen. Der Fachverband Biogas e.V. warnt ebenfalls vor gefährlichen Gasen, wie Methan, Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid, die bei einem möglichen Zwischenfall entweichen können.  Die Einsatzkräfte der Feuerwehr müssen sich deshalb besonders vor den Gefahren durch Atemgifte und der bestehenden Explosionsgefährdung schützen. Außerdem bestehen im Bereich eines Blockheizkraftwerks die üblichen Risiken durch Elektrizität (bis 30.000 V!).  Weiterhin raten die Experten dringend davon ab, ein Feuer am Fermenter zu löschen, solange die Gaszufuhr nicht abgesperrt worden sei. Übrigens lässt sich die Biogasproduktion nicht sofort einstellen. Auch wenn die „Fütterung“ sofort abgebrochen wird, entsteht das Gas weiterhin und zwar noch mehrere Tage lang!

Insoweit gibt es Parallelen zu den Gefahren der  Photovoltaik. Die  Solarmodule können ebenfalls nicht einfach abgeschaltet werden. Sie stehen bei Lichteinfall immer unter Spannung (bis 1.500 V!). Doch Photovoltaikanlagen stellen im Notfall nicht nur eine Gefahrenquelle für die Einsatzkräfte der Feuerwehr dar, die „Lichtkraftwerke“ können zudem selber als mögliche Brandursache in Betracht kommen. Der Verband öffentlicher Versicherer berichtet von Feuerschäden aus der Landwirtschaft, die auf Installationsmängel zurückzuführen seien. So sei in einem Fall eine effiziente Kühlung der Wechselrichter (, durch sie wird der erzeugte Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt,) nicht möglich gewesen, da diese direkt unter dem Dach eines Stallgebäudes montiert worden seien. Außerdem hätte die Installationsfirma Wechselrichter und Sicherungsverteilungen auf brennbaren Holzplatten angebracht.

Der Verband der öffentlichen Versicherer rechnet in den kommenden Jahren mit einem Anstieg der Schäden durch die neuen Technologien. Die Mängel an den jetzt noch recht neuen Anlagen würden sich dann durch Alterung der einzelnen Bauteile auswirken.

Von Jens Vogelsang
Fotos: B. Schröder (1), J. Vogelsang (2)

 

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Ein landwirtschaftliches Anwesen steht in Flammen.

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Es besteht ein großes Gefahrenpotential für die Einsatzkräfte der Feuerwehr.

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Mehr als 7.000 Biogasanlagen gibt es mittlerweile in Deutschland.
(Foto: © Martina Nolte; Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode)

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Die ökologische Energie entsteht durch die Vergärung von Biomasse, die oftmals aus Gülle oder
Energiepflanzen besteht.(Foto: © Ra Boe/Wikipedia; Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

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Die Folienhaube eines Biogasspeichers ist durchgebrannt. Das Gas wird freigesetzt und brennt ab.
(Foto: © Fachverband Biogas e.V.)

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Photovoltaikanlagen sind im Einsatzfall eine Gefahrenquelle für die Einsatzkräfte der Feuerwehr.
Aufgrund von Installationsmängeln können die Anlagen zudem selber Brände auslösen.