Feuerwalze überrollt Einsatzkräfte

Vor 43 Jahren brannten in Niedersachsen die Wälder.

aLandkreis Gifhorn/Kreis Herford. Die anhaltende Trockenheit und hohen Temperaturen halten die Feuerwehren im Lande auf Trab. Zurzeit genügt schon ein Funke, um die ausgedörrte Vegetation in Brand zu setzen. Die Zahl der Wald- und Flächenbrände häuft sich deshalb. Und der vom Deutschen Wetterdienst erstellte Waldbrandgefahrenindex erreicht voraussichtlich auch in den kommenden Tagen in vielen Regionen die fünfte und damit höchste Warnstufe; denn der sehnlichst erwartete Landregen ist nicht in Sicht. Erinnerungen an die Waldbrandkatastrophe in Niedersachsen werden wach. Damals starben sechs Feuerwehrleute. Einheiten aus dem Kreis Herford unterstützten die Löscharbeiten.

Der Sommer 1975 ist ebenfalls ungewöhnlich heiß. Etwa zwei Monate lang hat es vielerorts nicht mehr geregnet und die Temperaturen liegen konstant über 30 Grad. Anfang August brechen in den Landkreisen Gifhorn, Celle und Lüchow-Dannenberg Waldbrände aus, die sich zur größten Brandkatastrophe in der Geschichte der Bundesrepublik entwickeln. In den folgenden Tagen kämpfen tausende Helfer aus der gesamten Republik gegen das Flammeninferno.

Bergungspanzer und Polizei-Wasserwerfer im Löscheinsatz

Nahe der Ortschaft Meinersen (Landkreis Gifhorn) stehen am Sonntag, 10. August 13 Ortsfeuerwehren für den Erstangriff bereit. Zehn Wehren aus dem gesamten Landkreis sowie Einheiten aus Wolfsburg, Helmstedt, Peine und Hannover, darunter die 1. Feuerwehrbereitschaft Hannover-Land Neustadt am Rübenberge mit 16 Fahrzeugen, rücken zur Verstärkung an. Die Bereitschaftspolizei schickt zudem sechs Wasserwerfer, die aus den Standorten Braunschweig, Hannover und Osnabrück kommen. In der Nähe des Brandherdes befindet sich ein Brunnen. Von dort aus bauen die Feuerwehrleute Löschwasserversorgungen über lange Wegstrecken auf, um die Tanklöschfahrzeuge zu versorgen, die in den Schneisen und Waldwegen zur Brandbekämpfung eingesetzt werden. Am späten Nachmittag treffen zwei Bergungspanzer der Bundeswehr aus Braunschweig sowie der Malteser-Hilfsdienst mit Funkwagen und Zelten ein, um die Arbeiten zu unterstützen. Doch trotz des Großaufgebotes an Mannschaft und Gerät bleibt die Situation angespannt. Wechselnde Winde sorgen dafür, dass sich die Flammen in den ausgedörrten Nadelwäldern rasend schnell und dazu noch in verschiedene Richtungen ausbreiten. Im Verlaufe des Nachmittags nähert sich der Waldbrand Meinersen. Ein Abwehrriegel, der östlich der Ortschaft aufgebaut wird, verhindert dass die Flammen die Häuser erreichen.

Wasserwerfer
Wasserwerfer der Bereitschaftspolizei werden zur Brandbekämpfung eingesetzt. (Foto: Hildegard Markmann, Wikipedia)

Die Tragödie von Meinersen.

In einem unmittelbar vor Meinersen gelegenen Waldstück kommt es zur Tragödie. In diesem Bereich sind die Wehren aus Lengede (3 Mann Besatzung), Hohenhameln (7 Mann Besatzung) und Wolfsburg-Fallersleben (3 Mann Besatzung) eingesetzt. Den Feuerwehrmännern erscheint die Situation zunächst völlig ungefährlich, da bei Windstille lediglich der Waldboden brennt. Das ändert sich schlagartig von einem Augenblick zum anderen. Aus östlicher Richtung bricht plötzlich unter orkanartigem Rauschen ein Feuersturm los. Lange Flammenbündel schießen bis über die Baumwipfel empor, und die Luft füllt sich mit Funken und dichtem Rauch. Die Wehren aus Lengede und Hohenhameln flüchten in ihren Fahrzeugen Richtung Süden, während die Flammen darüber schlagen. Sie müssen fünf ihrer Kameraden zurücklassen, denen der Weg durch das Feuer abgeschnitten ist. Drei von ihnen können sich retten. Sie rennen durch eine brennende Kiefernschonung und erreichen schließlich verletzt den 1.400 Meter entfernten Bahndamm der Linie Wolfsburg/Hannover, von wo aus sie über ein Streckentelefon Hilfe rufen. Die Besatzung aus Fallersleben hat die Situation dagegen falsch eingeschätzt. Sie ist bei ihrem Tanklöschfahrzeug geblieben und wird von einer regelrechten Feuerwalze überrollt. Die Ermittlungen der Staatsanwalt ergeben später keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Fremdverschulden zum Tod der fünf Männer geführt hat. Das Fahrzeug der Fallerslebener Wehr, ein Borgward mit Nato-Fahrgestell, sei außerdem zum Unglückszeitpunkt in einem einwandfreien Zustand gewesen. Bereits zu Beginn der Brände in Sassenburg-Stüde (Landkreis Gifhorn) hat Kreisbrandmeister Meyer aus Wahrenholz auf dem Weg vom Einsatzort nach Hause einen tödlichen Herzinfarkt erlitten.

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Wipfelfeuer an der B 188 bei Meinersen am 10.08.1975 um 13.50 Uhr

(Fotoarchiv des LZ Schweicheln-Bermbeck)

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Situation an der B 188 bei Meinersen am 10.08.1975 um 13.45 Uhr

(Fotoarchiv des LZ Schweicheln-Bermbeck)

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10.08.1975, 15.50 Uhr: Das Feuer überspringt die B 188 bei Meinersen.

(Fotoarchiv des LZ Schweicheln-Bermbeck)

Hilfe aus Ostwestfalen

Bis zum 11. August haben die Flammen bereits 4.000 Hektar Wald in der norddeutschen Heide vernichtet. Drei französische Spezialflugzeuge vom Typ Canadair unterstützen mittlerweile die Löscharbeiten aus der Luft. Sie nehmen tausende Liter Wasser aus dem Steinhuder Meer auf, das sie über den brennenden Wäldern ablassen. Einen Tag später wird die Zahl der Helfer auf 7.000 erhöht. 30 Ortschaften, die vom Feuer bedroht sind, müssen evakuiert werden.
Im Kreis Herford werden kurzfristig elf Tanklöschfahrzeuge und zwei Funkkommandowagen aus Bünde, Enger, Herford, Hiddenhausen, Rödinghausen und Vlotho zusammengezogen. Um 17 Uhr herrscht an der Kreisfeuerwehrzentrale reger Betrieb. Die Autos werden noch einmal technisch überprüft und die 40 Feuerwehrleute bekommen ihren Proviant zugeteilt. Sie wirken pflichtbewusst und auch ein wenig nachdenklich. Der Verband aus Ostwestfalen, zu dem insgesamt 80 Einsatzkräfte zählen, formiert sich anschließend an der Autobahnraststätte Herford-Ost. Von da aus geht es über die Autobahn in Richtung Celle. Die Leitung hat Kreisbrandmeister Heinz-August Ludewig aus Enger. Die Kräfte aus der Heimat kommen schließlich im Raum Meinersen zum Einsatz, um die zum Teil seit Sonnabend unermüdlich kämpfenden Feuerwehrleute abzulösen.
Am Nachmittag spitzt sich die Lage in der Nachbargemeinde Leiferde noch einmal zu. Die Flammenwand hat den Waldrand erreicht, der von der Siedlung lediglich durch einen Stoppelfeldstreifen getrennt ist. Über 400 Mann, Feuerwehrleute und Soldaten, werden zusammengezogen. Sie rücken mit zahlreichen Tanklöschfahrzeugen sowie Bergungspanzern und Wasserwerfern vor und verhindern, dass die Flammen auf die Siedlungshäuser übergreifen. Außerdem setzt die Bahnfeuerwehr Hannover einen Schienenlöschzug zur Brandbekämpfung entlang der Bahnstrecke ein. Die drei Kesselwagen fassen je 45.000 Liter Wasser. Die Leiferder Einsatzleitung betont anschließend die gute Zusammenarbeit mit der Panzerbrigade 2 aus Braunschweig. Allerdings weisen drei Leopard-Panzern Beschädigungen auf. Ein Soldat: „Die Hydraulik hat die Hitze nicht vertragen!“

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Die Feuerbereitschaft Peine geht am 11.08.1975 in Bereitstellung.

(Fotoarchiv des LZ Schweicheln-Bermbeck)

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Französische Spezialflugzeuge vom Typ Canadair CL-215 unterstützen die
Löscharbeiten aus der Luft. (Foto: Sergio Echeverria Garcia, Wikipedia)"

Gedenkstein hält die Erinnerung wach

In den folgenden Tagen sind bis zu 14.000 Helfer gleichzeitig im Einsatz. Sie löschen bis zum 17. August alle Brände, sodass einen Tag später der Katastrophenalarm für beendet erklärt wird. Insgesamt fallen über 8.000 Hektar Wald-, Moor- und Heidefläche dem Feuer zum Opfer. Es entsteht ein Schaden von 40 Millionen DM. Die Ursache für die verheerenden Brände bleibt ungeklärt. Spekuliert wird über brennende Zigaretten, Brandstiftung und Funkenflug, der von den vorbeifahrenden Zügen ausgelöst worden sein könnte. Kritik wird laut, die vor allem die organisatorische Abwicklung der Großschadenslage betrifft. Schnell wird klar: Der Katastrophenschutz in Deutschland muss neu überdacht werden.
In dem Waldgebiet östlich von Meinersen steht ein Gedenkstein, der an die Tragödie vor 43 Jahren erinnert: „Hier starben am 10. August 1975 fünf Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren im Kampf gegen den Feuersturm“, ist darauf zu lesen. (Redaktion: kfv-herford.de)

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Gedenkstein
In einem Waldstück bei Meinersen im Landkreis Gifhorn starben im August 1975 fünf Feuerwehrleute.
Ein Gedenkstein erinnert an ihr Schicksal. (Foto: Axel Hindemith, Wikipedia)